KRITIK: In einem neuen Buch erklärt ein Managementberater, wie konsequente Führungskräfte mit Ja- und Nein-Sagern umgehen sollten. Wobei wieder einmal mit bestimmten Typen „gespielt“ wird. Vielleicht sollten sich Führungskräfte lieber mit sich selbst auseinander setzen.
Aber der Reihe nach. In der Personalwirtschaft ist ein Vorabdruck aus dem Buch erschienen (Konsequente Führung umarmt die Neinsager und misstraut den Jasagern), in dem Führungskräfte aufgefordert werden, statt „Ihr sollt“ vor allem ein „Ihr dürft“ auszudrücken. Führungskräfte sollten sich als Kollaborateur, nicht als Gegner ihrer Mitarbeiter begreifen, und diese zu Widerspruch ermutigen. Aus Ja-Sagern Nein-Sager machen.
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Wobei dann gleich die Einschränkungen kommen, denn es gibt solche und solche Nein-Sager: Die Besserwisser, die sich nur profilieren und selbst Karriere machen wollen, indem sie Ihre Autorität untergraben. Die ewigen Skeptiker und Zauderer, die man nur mit Erfolgen überzeugen kann und die sich im besten Fall von den anderen mitziehen lassen. Und die kategorischen Nein-Sager, die unbedingt den Status quo verteidigen wollen. In diese sollte man nicht viel Energie verschwenden, sondern sich lieber an die konstruktiven Nein-Sager halten. Die, die zuhören, selbst denken, hinterfragen und Alternativen vorschlagen.
Natürlich gibt es schwierige Menschen, aber der Ansatz ist schon schräg. In einem Satz wird das Problem bzw. die Haltung deutlich: „Wie erzielen wir ein Ergebnis, das sich beide Seiten wünschen… von dem beide Seiten profitieren?“ Führungskräfte und Mitarbeiter stehen also auf zwei verschiedenen Seiten. Das ist ein ziemlich altmodisches Verständnis, was mit der Empfehlung zum „Kollaborateur“ nicht aufgehoben wird.
Und dann wird die Szene aus dem Film „Der Club der toten Dichter“ zitiert, in dem der Lehrer seine Schüler aus dem Dämmerschlaf erweckt und sie lehrt, nicht mehr blind den Autoritäten zu gehorchen. Diese Schüler, so der Autor, wären nie auf die Idee gekommen, „ihren Lehrer abzuschaffen, der ihnen Orientierung gab und das Beste in ihnen weckte. Sie wussten, dass sie ohne ihn in ihren Dämmerschlaf zurückgefallen wären.“ Soll heißen: Auch wenn Mitarbeiter mitdenken und selbstständig handeln – sie brauchen weiterhin ihren Vorgesetzten, damit sich nicht in alte Muster zurückfallen.
Die Führungskraft als Lehrer, der seinen Mitarbeitern Orientierung gibt und ihnen beibringt, den Autoritäten zu widersprechen? Die Mitarbeiter, die ohne ihre Führungskraft in den alten Dämmerschlaf verfallen? Was ist das für ein Menschenbild? Mag ja sein, dass es Unternehmen gibt, in denen eine Kultur des Ja-Sagens existiert und in denen die Mitarbeiter in einen Dämmerschlaf versetzt werden. Wahrscheinlich sind das viel mehr, als wir vermuten.
Aber dann muss sich das Management an die eigene Nase fassen und niemanden aus einem Dämmerschlaf reißen. Es muss sich fragen, welchen Anteil es daran hat, dass niemand widerspricht. Und verkünden: „Wir haben bisher die Ja-Sager gefördert, weil Widerspruch lästig ist. Weil wir Angst vor Kritik hatten. Weil es bequem ist, nur positive Rückmeldungen zu bekommen. Weil es unserem Ego schmeichelte. Das war einfach blöd. Ab jetzt hören wir euch zu.“