PRAXIS: Es gibt in Unternehmen Menschen, die können mit ihrer Art die Atmosphäre vergiften und ein Team zerstören. Auf ihr Verhalten trifft die Beschreibung „passiv-aggressiv“ zu. Aber was genau ist das? Und vor allem: Wie geht man am besten mit ihnen um? Eine erste Erkenntnis: Es handelt sich wohl kaum um eine Persönlichkeitsstörung. Zumindest ist das die erste Erkenntnis aus dem Beitrag in der Zeitschrift für Konfliktmanagement (Passiv-aggressives Verhalten).
Für mich etwas verblüffend: Offenbar gibt es in der Klassifikation von Krankheiten der WHO tatsächlich die Diagnose „passiv-aggressives Verhalten“ unter „sonstige spezifische Störungen“. In der Klassifikation der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft wurde sie allerdings 2013 offenbar gestrichen. Was genau soll das nun sein? Hier einige Merkmale, die uns allen bekannt vorkommen dürften:
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Die üblichen Verdächtigen
- Hinauszögern von Routinearbeiten
- Klage über Missachtung durch andere
- Neid auf andere, die mehr Glück haben
- Verachtung von Autoritäten
- Jammern über anhaltendes Unglück
- Wechsel zwischen Feindseligkeit und Reue
- Vordergründiger Humor von der Sorte: „War doch nur Spaß!“
- Sich dumm stellen: „Hatten wir das wirklich besprochen?“
- Gerüchte verbreiten
- Schweigen und meiden, um andere so zu bestrafen
- Schuld auf andere schieben
Vermutlich fallen Ihnen sofort Menschen ein, die etliche dieser Verhaltensweisen zeigen. Gleichzeitig dürfte Ihnen auch in den Sinn gekommen sein, dass Sie selbst hin und wieder zu dem einen oder anderen Verhalten aus der Liste greifen. Müssen Sie sich Sorgen machen, dass sie eine Persönlichkeitsstörung haben?
Persönlichkeitsstörung?
Wohl nicht, wir dürften uns alle mit unserem Verhalten auf einem Kontinuum von resignativ bis aggressiv bewegen, je nach Situation und Beziehung. Und um letztere geht es schließlich. Der Persönlichkeitsansatz (Stichwort: Krankheit) hilft da nicht weiter. Eher der Ansatz sich zu überlegen, welches Muster in der Beziehung eine Rolle spielt und was darin der eigene Anteil ist. Um dann angemessen reagieren zu können.
Passiv-aggressives Verhalten erkennen wir daran, dass die Reaktionen oberflächlich resignativ wirken, aber im Unterton Kritik spürbar wird: „Na, wenn Sie meinen …“ – „Ich kann ja nicht ahnen, dass Ihnen das wichtig ist …“ – „Sie sind schließlich der Chef …“. Entscheidend ist hier das „Ungesagte im Gesagten“. Und genau hier kann man ansetzen. Der Autor bietet vier Optionen an, wie man als Führungskraft auf dieses Verwirrspiel reagiert, wenn ein Mitarbeiter zum Beispiel mitteilt, dass er eine Aufgabe nicht bearbeitet hat und dafür typische Rechtfertigungen vorbringt:
4 Optionen, zu reagieren
- Nicht diskutieren, den Ball direkt zurückspielen: „Und jetzt? Was schlagen Sie vor?“
- Kurzes Eingehen, dann umgehend zum Handeln auffordern: „Das ist natürlich nicht schön. Aber nochmal meine Bitte: Ich brauche von Ihnen … bis …!“ Diese beiden Varianten sorgen für Irritation: Dadurch, dass man auf die enthaltene Klage nicht eingeht, sondern direkt zum Handeln oder zu Handlungsalternativen übergeht, muss der andere „die Dinge neu ordnen“, schließlich hat er einen Vorwurf oder eine Auseinandersetzung erwartet.
- Den Spieß umdrehen und die Ausrede als bewusste Entscheidung interpretieren: „Sie haben sich also entschieden, dass Ihnen etwas anderes wichtiger ist und deshalb meinen Auftrag / Ihre Aufgabe nicht bearbeitet.“ Darin steckt die Aufforderung, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.
- Spiegeln: „Sie haben es versucht, aber für die andere Aufgabe haben Sie mehr Zeit als erwartet benötigt …“ – „Sie sind der Meinung, die Aufgabe sollte jemand anders übernehmen und sehen nicht ein, warum Sie sich darum kümmern sollen.“ Optionen #3. und #4. sind Versuche, das Problem auf eine Meta-Ebene zu heben, um so den anderen zu bewegen, sein eigenes Verhalten zu reflektieren.
Um das vielleicht klarzustellen: Hin und wieder gezeigtes passiv-aggressives Verhalten ist sicher normal. Das Spiegeln (Variante #4) hilft nach meiner Erfahrung immer, um den anderen aus seiner resignativ-anklagenden Haltung zumindest ein Stück herauszuholen.
Etwas anderes ist es wohl, wenn Menschen häufig bis überwiegend dieses Verhalten zeigen. Dann stellt sich für mich die Frage, ob einen solche Tipps tatsächlich weiterbringen oder ob es dann nicht notwendig ist, die problematische Beziehung zu thematisieren und sie – möglicherweise mit externer Unterstützung – auf neue Beine zu stellen. Das dürfte anstrengend werden und häufig scheitern, aber wenn es gelingt, wird das Erfolgserlebnis dafür umso größer sein.