INSPIRATION: Haben Sie öfter den Eindruck, die Zeit reicht hinten und vorne nicht? Haben Sie eher ein zyklisches oder ein lineares Zeitverständnis? Arbeiten Sie eher polychron oder monochron? Beherrschen Sie den Umgang mit To-Do-Listen? Fragen zum Umgang mit unserer Zeit.
Wussten Sie, seit wann es in Deutschland eine verbindliche, im ganzen Land einheitliche Uhrzeit gibt? Erst seit 1893 – weil damals die Eisenbahn genaue Abfahrtszeiten erforderlich machte (könnte man heute also wieder abschaffen…). Seltsam, denke ich, können wir uns heute noch vorstellen, wie es ist, ohne verbindliche Uhrzeit zu leben? Wohl kaum. Mit der „Messung“ von Zeit wird noch ein anderes Phänomen möglich: Unser ganzes Leben lässt sich einteilen, und zwar im Minutentakt. Vielleicht sieht ja auch Ihr Kalender inzwischen derartig eng getaktet aus.
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Was zu der Notwendigkeit führt, die eigene Zeit zu „managen“, und zwar immer genauer und immer effizienter. Thomas Schaber (Alle Zeit der Welt?) spricht von einer „beinahe vorsätzlichen Überlastung“ – wir packen uns den Tag vollkommen zu um uns davor zu drücken, uns grundsätzlich mit unserem Umgang mit der Zeit zu beschäftigen. Und vielleicht auch, weil es ja auch immer noch als Statussymbol gilt, „keine Zeit zu haben“. Wer keine Zeit hat, ist wichtig, beschäftigt, gehört dazu (Im Konflikt mit der Zeit). Obwohl ich den Eindruck habe, dass sich hier gerade einiges ändert, zumindest bei jüngeren Leuten.
Zurück zur Geschichte und der Selbstverständlichkeit, mit der wir unsere Zeit messen und „verbrauchen“. Tatsächlich ist das eine Folge der Industrialisierung und hat sich noch dramatisch verstärkt, seit die Digitalisierung und unsere Smartphones vorgeben, was wir wann und wie schnell zu erledigen haben. Aber das war nicht immer so. Vorher herrschte ein zyklisches Zeitverständnis, das auch heute noch in anderen Kulturen anzutreffen ist (Wo die Uhren langsamer gehen).
Gemeint ist, dass Zeit nicht wie eine gerade Linie, die irgendwo in der Vergangenheit beginnt und in der Zukunft endet, aufgefasst wird (lineares Zeitverständnis), sondern von der Natur bestimmt ist. Die Tage wiederholen sich, die Jahreszeiten, alles kehrt wieder, es gibt keinen Anfang und kein Ende. Und da alles wiederkehrt, geht ja auch nichts verloren. Also auch keine Notwendigkeit, die Zukunft zu planen und zu beeinflussen – was man nach diesem Verständnis auch gar nicht kann.
Schwer vorstellbar? In der Tat. Auch wenn ich mich als in der westlichen Welt aufgewachsener Mensch damit schwertue, weil wir hierzulande ja annehmen, wir könnten unabhängig von allen äußeren Einflüssen den nächsten Tag, die nächste Woche, das nächste Jahr oder gar unser ganzes Leben planen – tatsächlich gibt es doch Einflüsse, die wir überhaupt nicht im Griff haben. Das Wetter zeigt uns das im Moment sehr deutlich.
Die Folge des zyklischen Zeitverständnisse ist, dass Menschen mit dieser Auffassung eher polychron vorgehen. Sie planen nicht einen Schritt nach dem anderen, folgen nicht einer genau vorgegeben „Timeline“ oder haken einen Termin nach dem anderen ab (monochrone Arbeitsweise). Sie arbeiten gleichzeitig an mehreren Aufgaben, empfinden Ablenkungen nicht als solche, sondern greifen sie auf und beschäftigen sich mit den Dingen, die wir als Störungen empfinden. Eben weil sie ja gar nicht davon ausgehen, dass man Dinge planvoll Schritt für Schritt bearbeiten kann.
Klingt, als lebe es sich mit dieser Auffassung etwas entspannter. Und manchmal, wenn ich mich selbst betrachte, glaube ich, dass ich deutlich mehr dieser polychronen Arbeitsweise zugetan bin. Allerdings macht mich das nicht wirklich glücklich, denn auf diese Weise werden viele Dinge leider auch nicht in der von mir geplanten Zeit fertig. Was wieder zeigt, dass ich ein lineares Zeitverständnis habe.
Das Minumum- und Maximum-Prinzip
Zu theoretisch? Dann hier eine sehr praktische Empfehlung. Ich kann auch nicht gut mit To-Do-Listen arbeiten. Immer wieder fange ich eine solche Liste an und stelle fest, dass einzelne Punkte ewig auf dieser vermerkt sind, ohne dass sie von mir bearbeitet werden. Schöner Begriff: Sie bilden den „Bodensatz meiner Liste“ (Schaber). Tatsächlich stelle ich fest, dass ich gar keine Lust habe, diese zu bearbeiten und alle möglichen anderen Dinge erledigt habe, wenn der Tag rum ist. Was wiederum zur Unzufriedenheit führt. Und irgendwann vergesse ich alle To-Do-Listen wieder.
Vielleicht sollte ich mal über das Minimum- und Maximumprinzip nachdenken. Das Minimum-Prinzip bedeutet: Ich definiere ein Ziel und versuche, es mit minimalen Mitteln zu erreichen. Je besser ich darin werde, um so eher werde ich mit einer Aufgabe fertig – und kann die „eingesparte“ Zeit für Muße und Entspannung nutzen.
Beim Maximum-Prinzip versuche ich, in der zur Verfügung stehenden Zeit so viel wie möglich zu schaffen. Mit der Folge, dass ich auch noch das letzte aus dem Tag herausholen möchte. Wenn ich gleichzeitig Muße und Entspannung nicht in meinen Plan einbinde, wird daraus nie etwas.
Dazu passt noch ein schönes Bild: Wir können uns unsere Zeit wie einen Kanal vorstellen, der gradlinig von hinter uns bis zum Horizont führt. Oder eher wie ein Flussdelta, mit vielen Kurven und Abzweigungen. Letzteres hilft vielleicht, alles ein wenig gelassener anzugehen.
Schon klar, auch hier kommt nichts anderes heraus als eine Art To-Do-Liste – mit den Zielen, die man erreichen möchte. Wahrscheinlich ist eine Tagesliste dabei nicht sonderlich hilfreich, eine Wochenliste schon eher. Dann habe ich viel mehr Möglichkeiten, Unvorhergesehenes unterzubringen und mein Wochenziel dennoch zu erreichen – bei einem einzelnen Tag wird das schwierig. Ich für meinen Teil werde genau das noch einmal probieren. Vielleicht werde ich ja doch noch ein Freund von To-Do-Listen…