INSPIRATION: Wie sieht es mit Ihrer Work-Life-Balance aus? Die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, weil eigentlich niemand so genau weiß, was man unter diesem Begriff versteht. Im Rahmen einer Interview-Studie wurde zumindest geklärt, was „Wissensarbeiter“ mit dem Begriff verbinden. Mit Konsequenzen für Arbeitgeber.
Bei dieser Studie wurden 91 Berufstätige befragt (Work-Life-Balance aus Sicht von Mitarbeitern),
und tatsächlich sorgt das Ergebnis für ein wenig mehr Klarheit. Drei Bestandteile lassen sich unterscheiden:
- Merkmale, die die Work-Life-Balance beeinflussen, wobei es zwei Merkmale gibt, die einen negativen Einfluss auf die erlebte Work-Life-Balance haben, deren Abwesenheit aber noch nicht bedeutet, dass die Menschen ihre Work-Life-Balance als positiv erleben. Dazu muss das dritte Merkmal vorliegen.
- Die Anzahl der Lebensbereiche, die bei der Betrachtung der eigenen Work-Life-Balance einbezogen werden. Bei den einen geht es „nur“ um Arbeit und Familie, bei anderen spielen auch Hobbys, Freunde und Freizeit-Aktivitäten eine Rolle.
- Der Zeitraum, der jeweils betrachtet wird. Das Erleben von Work-Life-Balance wird immer auf einen bestimmten Zeitraum bezogen, oft z.B. seit der letzten größeren Veränderung, z.B. einem Stellenwechsel.
Schaut man sich diese drei Faktoren an, wird rasch deutlich, wie subjektiv die Bewertung einer persönlichen Work-Life-Balance ausfallen muss. Die beiden Merkmale, die sich sehr negativ auf die Work-Life-Balance auswirken, sind:
- Gravierende Missstände in einem Lebensbereich – also auch im Privaten.
- Übermäßige Gewichtung eines Lebensbereiches, was zu Konflikten mit den anderen Bereichen führt.
Ist beides nicht der Fall, wird der Mitarbeiter dennoch nicht von einer positiven Work-Life-Balance reden. Dazu muss das dritte Merkmal kommen:
- Das Gefühl, in allen Lebensbereichen den eigenen Bedürfnissen und Ansprüchen gerecht zu werden – ein hoher Maßstab.
Entsprechend wird hier Work-Life-Balance definiert „als das Ausmaß, zu dem eine Person das Gefühl hat, in einem bestimmten Zeitraum in allen für sie relevanten Lebensbereichen ihren persönlichen Ansprüchen und Bedürfnissen gerecht zu werden.“ Bedeutet wohl: Bei dem einen herrscht großer Stress mit dem Partner, so dass er sich nicht auf die Arbeit konzentrieren kann. Beim Zweiten stimmt das Verhältnis zum Chef nicht. Bei dem Dritten kommt sein geliebtes Hobby zu kurz, beim Vierten beschweren sich die Freunde, weil er kaum noch Zeit für sie hat. Der nächste hat sich ein Amt im Verein anhängen lassen, was ihn zusehends belastet. Dem Letzten ging es bis vor Kurzem wunderbar, aber seit er die Stelle gewechselt hat, ist alles anders geworden.
Alle würden von einer gestörten Work-Life-Balance reden, aber die Ursachen sind stets völlig verschiedene. Was bedeutet das für den Arbeitgeber? Kita-Plätze schaffen würde keinem der oben Genannten helfen. Die Autoren der Studie verweisen darauf, dass Arbeitgeber zum einen dafür sorgen sollten, dass gravierende Missstände am Arbeitsplatz beseitigt werden – das wäre sicher immer gut.
Zum anderen sollten sie den Mitarbeitern eine hohe zeitliche und räumliche Flexibilität ermöglichen und dazu ihnen in der täglichen Arbeit eine hohe Autonomie einräumen. Was aber immer noch nicht bedeutet, dass Mitarbeiter in allen Lebensbereichen ihre Ansprüche verwirklichen können – wäre ja auch eine arg überzogene Erwartung. Aber zumindest könnte man sie befragen, was sie von Unternehmensseite benötigen, um sie bei diesem Ziel zu unterstützen.
Hierzu Mitarbeiterbefragungen durchzuführen, wie hier vorgeschlagen wird, ist m.E. allerdings Unsinn – weil diese Ansprüche ja so extrem subjektiv und individuell sind. Da hilft wohl nur das persönliche Gespräch. Und ich kann nun verstehen, dass viele den Begriff „Work-Life-Balance“ gleich ganz abschaffen und nur noch von „Life-Balance“ sprechen wollen.