INSPIRATION: Anlässe, über den Wandel von Unternehmenskulturen zu sprechen, gibt es genug: VW, Deutsche Bank, Facebook. Unternehmen, die sich auf die Fahne geschrieben haben, es ab jetzt besser zu machen und dazu einen Kulturwandel beschwören. Schwierig. Also wechselt man erst mal den Boss aus oder fordert das zumindest. Gar keine schlechte Idee, denn der steht ja schließlich für die „alte“ Kultur. Oder hat es nicht geschafft, sie zu verändern.
Aber wie macht man das? Angeblich wissen das Beratungsunternehmen, die gutes Geld damit verdienen. Und die wie immer fordern, erst mal fleißig die alte Kultur zu analysieren. Dazu haben sie natürlich Tools entwickelt, die zu schönen Grafiken führen, an denen man erkennen kann, welche Werte im Moment zählen. So kann man Kultur angeblich messen und damit auch managen. (Auf die passenden Werte kommt es an). Gemessen wird mit regelmäßigen Mitarbeiterbefragungen, gemanagt vermutlich mit Trainings und Zielvereinbarungen.
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Sarkasmus beiseite. Die entscheidende Frage steht in einem Beitrag des Handelsblatts (Wechsel sich, wer kann), der von dem geschätzten Kollegen und Change-Experten Winfried Berner stammt: „Warum verhalten sich die Leute in einer Firma eigentlich so, wie sie sich verhalten?“ Was zu der Frage führt, die jeder Berater dem Vorstand stellen sollte, der ihn einbestellt hat und beauftragen will, die Kultur zu verändern: „Wenn die derzeitige Kultur nicht erwünscht ist – warum verhalten sich die Mitarbeiter trotzdem so, wie sie sich verhalten?“ Anders ausgedrückt: Offenbar ist das aktuelle Verhalten dasjenige, das die Mitarbeiter für sinnvoll und richtig halten, sonst würden sie es ja ändern. Was stimmt dann nicht an den Vorgaben von oben?
Stelle ich mir spannend vor. Der CEO erklärt dem Berater, dass die Mitarbeiter kundenorientierter sein sollen und dass es dafür einen Kulturwandel braucht. Fragt der Berater: „Ihre Mitarbeiter verhalten sich nicht kundenorientiert genug? Warum lassen Sie das denn zu? Da müssen wir doch mal genau hinschauen, was Sie denen denn erzählen und vorleben!“ Vermutlich bekommt er den Berater-Job nicht.
Auch interessant: Bei der Deutschen Bank versuchten die Vorstände Jain und Fitschen, mit sechs Werten das Unternehmen „endlich wieder auf den Pfad der Tugend zurückzuführen“ und ließen diese auf die Seiten eines Würfels schreiben: Integrität, Kundenorientierung, Innovation, Disziplin und Partnerschaft. Allein diese Begriffe sind ja schon aussagekräftig, heißen sie doch nichts anderes als dass es bislang hieran haperte. Stattdessen – Zitat aus dem Artikel – regierten „Überheblichkeit, Gewinnsucht und Skrupellosigkeit„.
Wie bekommt man nun heraus, warum die Leute sich so verhalten, wie sie sich verhalten? Die Antwort ist furchtbar einfach: Zuhören. So wie man das wohl bei Otto 2016 gemacht hat. Zweimal im Monat trafen sich die Vorstandsmitglieder mit 80 Mitarbeitern und hörten zu. Sie erfuhren, was die Menschen beschäftigte: „zu viel Bürokratie, zu komplizierte Strukturen, zu wenig Raum für neue Ideen, Angst vor Jobverlust.“ Was hätte wohl ein Herr Winterkorn erfahren, wenn er den VW-lern zugehört hätte?
Mit dem einmaligen Zuhören ist es natürlich nicht getan. Bei Otto setzt man das „Experiment“ bis heute fort – offenbar mit Erfolg. Was zum zweiten „Erfolgsgeheimnis“ führt: Reden. Wenn man sich entschieden hat, etwas zu ändern, dann ist es nicht mit dem Herstellen von Würfeln getan. Dann muss man wieder und wieder erklären, was man warum ändert oder geändert hat. Aber noch einmal: ERST zuhören – DANN reden!
Woraus „Geheimnis“ Nr. 3 folgt: Handeln. Wer den Wandel nicht mitmacht, muss gehen. Da werden die Mitarbeiter genau hinschauen, fehlende Konsequenz wird die Glaubwürdigkeit schnell untergraben.
Ein Tipp am Schluss (auch aus dem Beitrag): Befördern Sie „interne Hybride“ in wichtige Positionen. Menschen, die das Unternehmen kennen, weil sie in diesem groß geworden sind, aber die schon immer von der bestehenden Kultur abgewichen und mehr in Richtung der gewünschten Kultur gedacht und gehandelt haben. Auch das wird ein starkes Zeichen sein: Wenn die Mitarbeiter sehen, dass auf einmal andere „Typen“ mit anderen Werten und Einstellungen in Amt und Würden gehievt werden, stärkt das mit Sicherheit die Glaubwürdigkeit.