4. Januar 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Mut, neue Wege einzuschlagen

REZENSION: Reinventing Organizations. Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. Vahlen 2016. 

„Gefühlt“ die schwierigste Rezension seit langem: Denn in erster Linie ist das Buch von Frederic Laloux – Reinventing Organizations – tatsächlich „bahnbrechend & inspirierend – eines der faszinierendsten Bücher zur Organisationsentwicklung des letzten Jahrzehnts“, wie es der Buchrücken selbstbewusst verspricht. Auch in der hier vorgestellten deutschen Ausgabe des ursprünglich Englisch-sprachigen Originals hat der (belgische) Autor sehr viel richtig gemacht: Er beschreibt zunächst aus entwicklungsgeschichtlicher Perspektive die sich verändernden Organisationsformen von ursprünglich Stammesgemeinschaften über totalitäre Strukturen wie der Mafia oder Anführer-geleiteten „Streetgangs“ bis hin zur klassischen Unternehmenspyramide.


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Als Kontrapunkt und zeitgemäße Weiterentwicklung stellt er dann zwölf alternative Organisationen vor. Diese sind mehr, meist aber [noch?] weniger bekannt, international gemischt und in ganz unterschiedlichen Branchen tätig, vom Pflegedienst in den Niederlanden bis hin zum tomatenverarbeitenden Produktionsunternehmen oder Energiedienstleister / Kraftwerksbetreiber.

Die einzige Klammer dieser sehr heterogenen Gruppe stellt die Tatsache dar, dass der Autor dort innovative Ansätze vorgefunden hat, die er zusammenfassend „evolutionäre Organisationformen“ nennt. Deren Kennzeichen sind insbesondere die Elemente der Selbststeuerung. Dabei lehnt er sich an den menschlichen Körper als Metapher an, dessen Organe ja auch sehr autonom agieren, und sich gleichwohl zielgerichtet verhalten können. Im Gegensatz zu konventionellen Shareholder-getriebenen Konzernen verfolgen evolutionäre Organisationen maßgeblich die Interessen der Stakeholder, und entwickeln sich aus sich selbst heraus in Richtung einer lebendigen Zukunft – und dies durch die Bank in wirtschaftlicher Hinsicht bestechend erfolgreich.

Der erfolgreich umgesetzte Anspruch besteht darin, den „Mitarbeitern“  besser den „Mitgliedern“ – einen ganzheitlichen Sinn ihrer Tätigkeit zu vermitteln (völlig unabhängig vom Geschäftsmodell bzw. Produkt). Diese Absichten münden dann in intensiviertem Wissens- und Kommunikationsaustausch zwischen den Teams auf Augenhöhe, gelebter Vertrauenskultur („Empowerment“) und möglichst fluiden Strukturen ohne Stellenbeschreibungen und Organigramme.

Verständlicherweise gibt es auch in solchen Organisationen Konflikte oder Entgelt-Unterschiede, doch sollen diese kontrolliert ausgelebt und auf ein Minimum reduziert werden.
Erreicht wird dies unter anderem durch schon bekannte Elemente wie offene Reflexion in Großgruppen / Qualitätszirkeln oder selbstgestaltete Arbeitsräumen, ferner durch gezielte Personalauswahl & Onboarding, Flexibilität bei den Arbeitszeiten sowie eine intensivierte Feedback-Kultur.

Zentrale Voraussetzung für die Erreichung einer solchen integralen, evolutionären Perspektive ist allerdings die ernsthafte (!) Bereitschaft samt Weitsicht von Seiten der Gründer bzw. der Geschäftsführung sowie der Eigentümer, ansonsten ist ein Scheitern vorprogrammiert.
Diese – maximal komprimierten – Kernbotschaften werden kaum die Faszination vermitteln können, die von dieser – im positiven Sinne! – „schönen neuen Welt“ moderner Organisationsformen ausgeht.

Laloux spricht dabei von „anekdotischer Evidenz“ und weist selbstkritisch darauf hin, dass die von ihm anschaulich vorgestellten zwölf Organisationen nicht als repräsentativ gelten können. Auch hat er neben seinen Eindrücken keine eindrucksheischenden Graphiken oder Erfolgsstatistiken zur Hand, die sein Gesagtes untermauern. Dies ist aber auch keineswegs erforderlich, denn ein aufgeschlossener Leser wird dem Autor den erforderlichen Vertrauensvorschuss entgegen bringen in der Annahme, dass seine Beobachtungen tatsächlich stimmig und zutreffend sind.

Daraus ergeben sich dann wirklich extrem weitreichende Implikationen für moderne Organisationen – angefangen mit dem Mut, neue Wege einzuschlagen und auf herkömmliche Privilegien sowie auf Statussymbole zu verzichten. Besonderer Beleg dieser humanistisch-aufgeklärten Geisteshaltung ist, dass das Original-Buch auch online als Download verfügbar ist und der Kunde selbst über einen für ihn angemessenen Preis entscheiden kann.

Also wirklich ganz viel Licht, wenn da nicht dieser eine Schatten wäre, den der Rezensent nur schlecht in Worte fassen kann: Das Buch ist leserfreundlich geschrieben mit viel Struktur und auflockernden Aphorismen. Aber es enthält auf seinen über 330 Seiten irgendwie [zu?] viel Text und wirkt dadurch ein wenig mühsam. Der unbestreitbare Charme des Autors – samt reichlich Sympathiepunkte -, die zum Beispiel bei (auch deutschsprachigen) Vorträgen auf „you tube“ deutlich werden, bleibt auf dem sehr weißen, recht eng bedrucktem Papier leider etwas auf der Strecke. Doch es bleibt bei der klaren Empfehlung: Die Ansichten und Inhalte von Frederic Laloux sind großartig und wegweisend für diejenigen, die eine typische Konzernpyramide oder Behörde nicht für den letzten Stand der Organisationsform halten. Wer Inspiration und Belege für Alternativen sucht, wird in diesem Fahrwasser mit Sicherheit fündig werden!

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