INSPIRATION: Zwei Titel fordern einen Kommentar: „Glücklich im Job“ verkündet der Harvard Business Manager, „Bock auf Arbeit“ die Personalwirtschaft. Wieder mal versuchen uns Experten zu erklären, warum viele Menschen wenig begeistert von ihrem Beruf sind und wie es besser geht.
Wobei die Sache ja zwei Seiten hat: Was können SIE als Mitarbeiter tun, um mehr Glück oder zumindest Zufriedenheit im Job zu erleben, und was können SIE als Führungskraft/Unternehmer tun, damit Ihre Mitarbeiter die Chance haben, genau das zu erleben. Wundert sich eigentlich niemand, warum beide Seiten das Gleiche möchten, aber es offensichtlich in der Praxis nicht funktioniert?
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Der Arbeitgeber stellt jemanden ein und hofft, dass dieser die übertragene Aufgabe mit Hingabe und Enthusiasmus erledigt. Der Mitarbeiter tritt seinen Job an und hofft, dass er ihm Freude und Erfüllung bringt. Wo genau läuft das auseinander?
Der Titelbeitrag im HBM (Glücklich sein im Job) sucht die Glücksfallen auf Seiten des Mitarbeiters und hat drei hiervon identifiziert:
- Ehrgeizfalle: Es gibt Menschen, die setzen sich extrem hohe Ziele, wollen das Maximum und schießen über das Ziel hinaus.
- Erwartungsfalle: Andere versuchen, den (wahrgenommenen) Erwartungen gerecht zu werden, sei es an ihr Verhalten, ihre Person, ihr Auftreten, ihre Vorlieben und Eigenschaften und verbiegen sich bis zum Äußersten.
- Überarbeitungsfalle: Wieder andere nehmen immer mehr Aufgabe an und hoffen, dass es mit der Erledigung jeder einzelnen besser wird – aber das gelingt nicht.
Die Autorin sieht drei Lösungsansätze: Sinn, Hoffnung und Freundschaft. Zum Sinn gleich mehr. Zuerst einmal der Blick auf die Unternehmen. In einem launigen Artikel der Personalwirtschaft (Bock auf Arbeit) hat sich der Autor einige Studien vorgenommen und versucht herauszufinden, welche Faktoren im Unternehmen denn nun das Engagement der Mitarbeiter fördern. Sie ahnen es vermutlich – die Begriffe sind stets die gleichen: Führung, Vertrauen, Freiräume, Wertschätzung – und auch hier als zentraler Begriff: Sinn!
Vom Wesen des Sinns
Was genau aber sollen wir denn darunter verstehen? Klar, dazu dürfte es ganze Bibliotheken geben, und endgültig beantworten lässt sich das ohnehin nicht. Aber vielleicht kann man doch ein kleines bisschen Klarheit in die Sache bringen.
Sinnvoll, so eine Psychologin im HBM („Man muss nicht gleich die Welt retten“) wird eine Tätigkeit erlebt, wenn sie vier Kriterien erfüllt:
- Kohärenz: Das, was ich tue, muss meinen Fähigkeiten und Eigenschaften entsprechen. Sonst werde ich mich kaum wohlfühlen.
- Bedeutsamkeit: Das, was ich tue, sollten andere wichtig nehmen, oder anders herum: Wenn ich erlebe, dass meine Tätigkeit anderen völlig egal ist, wird sie mich kaum glücklich machen.
- Orientierung: Passt das, was ich tue bzw. das Ergebnis zu dem, was mir wichtig ist, zu meinen Werten? Steht es im Widerspruch, werde ich es kaum als sinnvoll erleben.
- Zugehörigkeit: Erlebe ich mich als Teil eines größeren Ganzen, einer Gruppe, einer Unternehmung, einer Organisation?
Das hilft schon ein wenig weiter, oder? Sowohl dem Unternehmen als auch dem Individuum. Letzteres, so die Psychologin, sollte sich fragen: Warum habe ich den Beruf ursprünglich gewählt? Wann habe ich Freude an der Arbeit? Welchen Nutzen stifte ich mit meiner Arbeit für die Gesellschaft? Und wenn die Antworten mager ausfallen, vielleicht noch mal genauer hinschauen: Gibt es vielleicht Momente, in denen ich berufliche Erfüllung erlebe, aber mir das gar nicht bewusst mache bzw. meine Tätigkeit selbst nicht ausreichend wertschätze? Manchmal haben wir uns so sehr ans Klagen gewöhnt, dass uns die Lichtblicke entgehen…
Die Unternehmen hingegen haben einen viel größeren Hebel, denn sie haben weitaus mehr Einfluss auf die oben genannten Kriterien. Und zwar schon gleich bei der Einstellung neuer Mitarbeiter. Da wünsche ich mir Personaler, die genau hinschauen, welche Fähigkeiten jemand mitbringt und welche Werte er vertritt, um dann zu prüfen, ob diese zu den verlangten Tätigkeiten überhaupt passen. Und denen es gelingt, tatsächlich die Bedeutsamkeit einer Tätigkeit deutlich zu machen.
Wohlgemerkt: „Führungskräfte können keinen Sinn vermitteln. Das kann niemand. Der Sinn ist etwas Persönliches, Subjektives…“ Aber aufzeigen, für wen die Aufgabe bzw. das Ergebnis von Bedeutung ist, darum könnten sich Führungskräfte sehr wohl bemühen.
Bei der Orientierung wird die Sache knifflig: Was, wenn die Organisation für Werte steht, die so gar nicht zu meinen Werten passen? Kündigen, kann nur die Antwort lauten, oder? Aber viele werden sich das nicht leisten können – oder glauben, woanders noch weniger gefragt zu sein. Da wird das wohl kaum etwas mit der Begeisterung. Was auch die Zugehörigkeit schwierig macht. Wie kann ich stolz sein auf eine Gruppe, wenn sie andere Werte als ich selbst vertritt?
Da bleibt dann wohl nur der Appell an das Pflichtgefühl: Ich habe eine Aufgabe übernommen, ich erledige sie so gut ich kann, wenn auch ohne die erhoffte Begeisterung. Um vielleicht eines Tages woanders mein Glück zu finden und dann sagen zu können: Ich habe auf jeden Fall einen anständigen Job gemacht, was mir zwar kein Glück, aber zumindest die Anerkennung der anderen eingebracht hat. Und wenn nicht einmal diese, dann auf jeden Fall meine Selbstachtung!