21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Verhandlungstools

REZENSION: Peter Knapp (Hrsg.) – Verhandlungs-Tools. Effiziente Verhandlungstechniken im Business-Alltag. (2. Aufl.) managerSeminare 2019.

Wer interessiert sich nicht für die Kunst, erfolgreiche Verhandlungen zu führen, um im (Geschäfts-)Leben seine Interessen bestmöglich durchzusetzen? Der Rezensent allemal und so freute er sich auf die Lektüre eines aktuellen Buches zu diesem Dauerbrenner-Thema. Als Hintergrundwissen war ihm u.a. bereits das vielzitierte Harvard-Modell bekannt, das im Prinzip auch für diese Darstellung als Grundstruktur verwendet wird. Allerdings werden hier im Buch etwas differenzierter zwischen neun verschiedenen Verhandlungsphasen unterschieden, zu denen dann insgesamt 53 einzelne Tools vorgestellt werden.

Um sich selbst – und hoffentlich interessierten MWonline-Leser(inne)n – konkreten Mehrwert anzubieten, sollen hier die – nach persönlicher Einschätzung – wichtigsten Methoden kurz erläutert werden.

9 verschiedene Verhandlungsphasen

Phase 1 – Angemessene Vorbereitung einer Verhandlung: Ziele und Optionen im Vorfeld erarbeiten, nach möglichst objektiven Bewertungskriterien Ausschau halten, zwischen minimalen und maximalen Forderungen unterscheiden. Verhandlungen im Zweifel auch Scheitern lassen (können). Nach Möglichkeit zu zweit verhandeln mit getrennten Rollen (good cop vs. bad cop).

Phase 2 – Kontakt herstellen und Rahmenbedingungen klären: Viel Wert auf eine passende Atmosphäre legen, emotional intelligent handeln, Menschen und sachlich-inhaltliche Probleme getrennt voneinander behandeln (Wie vs. Was-Ebene). Dabei die jeweiligen Gerechtigkeitsgefühle der Verhandlungspartner berücksichtigen. Die Interessen der anderen in Erfahrung bringen – ggf. mit einer gegenseitigen „Verständnisquittung“. Sich in der Verhandlung auf übergeordnete Interessen konzentrieren: Was will der jeweilige Verhandlungspartner mit dem Ergebnis erreichen? Denn oftmals überlappen ja die Interessen an verschiedenen Stellen („grüne Klammer“, anstelle vorschnell „nur“ um den harten Preis zu feilschen. Preisnennung zum richtigen Zeitpunkt, für den es keinen Königsweg gibt, aber geschicktes „Ankern“ hilft. Im Sinne einer Transaktionsanalyse die vier NEGO-Fälle unterscheiden: Freund tritt Freund = alle kooperieren. Freund trifft Feind / Feind trifft Freund = einer gibt, einer nimmt. Oder Feind trifft Feind – beide Seiten konkurrieren).

Phase 3 – Verhandlungsziele und Verhandlungsthemen bestimmen: Komplexitätsanalyse und Werthaltigkeitsprüfung der Verhandlungsmaterie. Explizit die besonders erfolgskritischen Punkte der Verhandlung zum passenden Zeitpunkt benennen.

Phase 4 – Kompetitive Verhandlungsstile – wie gehe ich damit um? Mit List bis hin zur Manipulation. Oder Aggression und Abwertung, z.B. durch Stopp-Techniken. Mit (organisationaler) Macht und passende Gegenmaßnahmen, z.B. durch mentales Training / Embodiment. Spiegeln und systemisch-lösungsorientiertes Fragen.

Phase 5 – Optionen erarbeiten: Bewusst Pausen machen. Systemisches Konsensieren, einen kollektiven Kompromiss erarbeiten. Kreativität und Design-Thinking anwenden.

Phase 6 – Objektive Kriterien heranziehen – Legitimität: Argumentations-Tools wie das Einerseits-andererseits-Schema oder das „Positive Nein“ verwenden. Den „Columbo-Effekt“ verwenden, angelehnt an die gleichnamige Krimiserie: „Begriffsstutzig, unscheinbar und zerknittert wirken, aber selbst vermeintliche Kleinigkeiten nicht außer Acht lassen und – weil von außen oft unterschätzt – überraschend eine unerwartete Lösung präsentieren.

Phase 7 – Ergebnisse sichern und Verpflichtungen festhalten: Humor verwenden. Einwänden nicht widersprechen, sondern diese authentisch akzeptieren.

Phase 8 – Rückschau auf die Verhandlung vornehmen: 4-I-Methode: Ignorieren, Identifizieren, Ironisieren, Isolieren. Hidden-Agendas erkennen.

Phase 9 – Die Verhandlung nachbereiten: Der interkulturelle Metatalk. Perspektivwechsel und innere Berater nutzen. Emotionale Souveränität.

Vor- und Nachteile

Im Leben hat ja alles bekanntlich Vor- und Nachteile. Und dieses Buch ist zweifelsohne von Fachleuten mit besten Absichten erstellt worden. Darin enthalten sind eine Fülle von bewährten sowie neuartigen Techniken und Vorgehensweisen. Unterstützt durch Praxisbeispiele, vermittelt in verständlicher Sprache samt unterstützenden Illustrationen. ABER: Diese Stärke der Vielfalt bei über 40 (!) Einzelautoren macht dann auch die unübersehbare Schwäche des Werkes aus. Dazu zählt in erster Linie, dass die – absolut plausible, aber mit neun Einzelschritten schon reichlich ausgedehnte – Grundstruktur es schlichtweg nicht möglich macht, die einzelnen Tools dem jeweiligen Prozessschritt klar zuzuordnen. Schließlich muss zum Beispiel der Beziehungsaufbau vom Anfang bis zum Ende angemessen berücksichtigt werden. Dazu kommt erschwerend, dass viele Tools überlappen und/oder in die gleiche Richtung gehen. Dies wird – in durchaus leserfreundlicher Absicht – auch in den umfangreichen Übersichtmatrizen (S. 18–23) zu Beginn des Buches deutlich, wonach etliche Instrumente in mehreren Phasen eingesetzt werden können.

Die verschiedenen im Text vorgestellten Methoden werden zuweilen aufgewertet durch peppige Labels, hinter denen sich – bei aller Wertschätzung – aber rasch alter Wein in neuen Schläuchen verbirgt. So drängt sich als Fazit die oft geteilte Erkenntnis auf, dass auch hier weniger mehr gewesen wäre: Das Original-Harvard-Konzept als Grundlage verwenden und dessen einzelnen Elemente einmalig beschreiben. Dies hätte dann aber nicht für ein ganzes Buch, sondern nur für einen Artikel gereicht. Und auch nur wenig Innovationswert gehabt. Wirklich aufgeschlossene Leser finden im Kontrast dazu hingegen in dem hier besprochenen Werk auf knapp 400 Seiten mit Sicherheit einen umfangreichen „Steinbruch“ an Methoden zum Thema, müssen sich ihre eigene Verhandlungskompetenz – zum Beispiel als gefragter Verhandlungstrainer – aber weiterhin noch selbst erarbeiten.

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