26. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Männerwirtschaft

REZENSION: Matthias Herzberg – Andersherum in die Chefetage. Lübbe 2022.

Es sollte eigentlich ganz normal sein. Aber was heißt schon normal? Wenn sich ein Kollege outet, ist das immer noch ein Aufreger. Und wenn es eine Führungskraft tut, ein Risiko. So viel habe ich auf jeden Fall aus der Lektüre des Buches gelernt: Es gibt sie, die schwulen Manager, aber man kennt sie nicht. Das hat seinen Grund, ist aber nicht gut.

Ich kenne Matthias Herzberg persönlich, ich habe ihn als ungemein selbstbewusst auftretenden und sehr fähigen Trainerkollegen erlebt, und weiß eigentlich seit der ersten Begegnung, dass er schwul ist. Hat das für mich einen Unterschied gemacht? Ich glaube nicht, aber kann ich mir da sicher sein? Das Buch beschreibt vor allem die Situation schwuler Männer, die bis heute in der Wirtschaft eher am Rande existieren, obwohl es keine Zweifel geben kann, dass viele auch heute schon in den Chefetagen zu finden sind. Es richtet sich im Grunde jedoch an alle, die zu einer Minderheit gehören, hier natürlich die Gruppe der LGBTIQ* (lesbian, gay, bisexual, transsexual, intersexual and queer) – das * dient als Platzhalter für weitere Geschlechtsidentitäten.

Persönlicher Background

Der Autor beschreibt seine persönliche Geschichte und wie es ihm gelungen ist, beruflich erfolgreich zu sein. Es kommen viele weitere Betroffene zu Wort, die ihre Erlebnisse schildern, und dabei wird deutlich, wie weit der Weg zu einem unverkrampften Miteinander in der von Hetero-Männern dominierten Business-Welt noch ist. Rechtlich ist die Sache klar: Niemand darf wegen seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden, aber es gibt sie nach wie vor: Die von Homophobie geprägten Chefetagen, die inzwischen eher verdeckt, aber durchaus auch noch ziemlich offen schwule Kollegen verunglimpfen und ausgrenzen. 

Worum geht es Matthias Herzberg? Die Botschaften sind klar: Es braucht vor allem Vorbilder. Männer, die in den Chef-Etagen sitzen und sich zu ihrem Schwulsein bekennen, damit wäre schon viel geholfen. Voraussetzung dafür ist, dass sie sich selbst annehmen und respektieren und offen mit ihrer sexuellen Orientierung umgehen. Ein Teufelskreis: Wer sich öffnet, riskiert Anfeindungen, ohne Öffnung ändert sich nichts.

Für LGBTIQ*-Menschen, die sich immer noch bedeckt halten, ist der Appell klar: Sie sollen sich gegen jede Form der Diskriminierung wehren, zur Not auch juristisch. Aber vorher gibt es viele Schritte, die ihnen helfen, ihre Umgebung für sich zu gewinnen und die Uneinsichtigen in die Schranken zu weisen. Wobei sie auch erkennen und einsehen sollten, wenn ein Arbeitgeber nicht auf ihrer Seite steht. Dann sollte man auch konsequent sein und gehen.

Vorbild sein

Zum Glück gibt es inzwischen Unternehmen, die sich des Themas angenommen haben und eine Menge tun, um deutlich zu machen, dass bei ihnen LGBTIQ* nicht nur willkommen sind, sondern auch gefördert werden. Und das nicht mit Allgemeinplätzen zum Thema Diversity, sondern mit konkreten Maßnahmen. 

Fazit: Das Buch richtet sich vor allem an schwule Manager mit der Aufforderung, Vorbild zu sein, an alle, die sich noch nicht geoutet haben, diesen Schritt besser heute als morgen zu gehen und an Unternehmen, sich deutlich zu positionieren. Und an die Mehrheit der Hetero-Männer mit der Bitte, die Minderheit zu unterstützen.

Matthias Herzberg formuliert gewandt, mit Spaß an der Sprache und in großen Teilen aus einer sehr persönlichen Sicht, ohne jemals ins Jammern zu verfallen. Seine zentralen Botschaften ziehen sich durch das ganze Buch, was zu einigen Längen führt. Was nichts an der Tatsache ändert, dass es ein wichtiges Buch ist.

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