5. Oktober 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Durch Fragen zum Sinn?

KRITIK: Immer häufiger lesen wir davon, dass Führungskräfte Coaching-Fragen beherrschen sollten. Auf diese Weise helfen sie ihren Mitarbeitern, selbstständig Lösungen zu finden, mehr sogar: Den Sinn dessen zu entdecken, was sie gerade tun. Aber passt das wirklich zur Führungsaufgabe?

Eigentlich ist das ja gar keine neue Erkenntnis: „Wer fragt, der führt“ heißt es schon lange in jedem Führungstraining. Völlig zu Recht, denn Führungskräfte, die in jeder Situation sofort Lösungen präsentieren und Anweisungen geben, sind schlecht beraten. Wer hingegen erst einmal nachfragt, ernsthaft daran interessiert ist, welches Problem überhaupt vorliegt, dann nach Lösungsvorschlägen des Mitarbeiters fragt, um gemeinsam zu überlegen, wer sich anschließend um was kümmert, der wird als Führungskraft deutlich effektiver sein. Und vor allem: Deutlich mehr geschätzt von seinen Mitarbeitern.


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Es gibt offenbar auch schöne Studien dazu. In einer ließ man 1.000 Personen Gespräche führen, mal „in echt“ und mal als Chat. Die Hälfte von ihnen sollte mindestens neun Fragen stellen, die andere maximal vier. Das Ergebnis: Wer viele Fragen stellte, wurde als deutlich sympathischer eingeschätzt – und erfuhr zudem wesentlich mehr über sein Gegenüber (Huang et. al 2017).

Ein Start-up namens Gong verkauft Software, mit deren Hilfe man Verkaufsgespräche auswerten kann. Man untersuchte 500.000 Gespräche und stellte fest, dass die besten Verkäufer mehr zuhörten und weniger selbst sprachen. Und dass sie ihre Fragen über das gesamte Gespräch verteilten und sie nicht schon alle in der ersten Gesprächshälfte stellten (Das macht garantiert sympathisch).

Coaching-Fragen für Führungskräfte

Was genau sollen nun Coachingfragen bringen? Ein Beispiel: „Wenn das Problem über Nacht verschwunden wäre, was wäre passiert?“ Der Fachmann erkennt die berühmte Wunderfrage, und ich stelle mir vor, mein Mitarbeiter kommt zu mir und beschwert sich, dass sein Arbeitspensum beim besten Willen nicht zu bewältigen sei, nachdem nun auch noch sein Kollege ausgefallen ist. Dann stelle ich die Wunderfrage und er zieht konsterniert ab.

In einem Beitrag der managerSeminare heißt es: „Selbstverantwortung durch Fragen zu stärken, ist ein guter Ansatz.“ ((Un)heilvolle Fragen). Als Beispiel: „Wenn Sie selbst eine Entscheidung treffen wollten, was bräuchten Sie, um sich sicher zu sein?“ oder „Angenommen, Sie würden einen Kollegen zu dieser Entscheidung beraten, was würden Sie ihm sagen?

Mal ehrlich: Welche Reaktion erwarten Sie von Ihrem Mitarbeiter? Vielleicht diese: „Wenn ich selbst diese Entscheidung treffen dürfte, würde ich Sie gar nicht fragen!“ Die Autorin des Artikels, Svenja Hofert, sieht das Problem auch und zieht in Erwägung, dass solche Coachingfragen auch kontraproduktiv sein können. Ihre Antwort darauf: Über solche Fragen zu führen, bedarf einer besonderen Haltung und eines bestimmten Menschenbildes. Letzteres kann ein Fixed Mindset oder ein Growth Mindset sein. Denkt die Führungskraft also: „Der Mitarbeiter ist wie er ist“ oder denkt sie: „Der Mitarbeiter entwickelt sich noch.“ Im letzten Fall eignen sich die Coaching-Fragen.

Dazu kommt noch, dass die Wirkung auch vom Entwicklungsstand des Mitarbeiter abhängt – wo steht er in seiner Persönlichkeitsentwicklung? Und noch etwas gibt es für die Führungskraft zu bedenken: Wenn Sie Coachingfragen einsetzt, muss sie damit rechnen, in einen Rollenkonflikt zu geraten. Der Mitarbeiter könnte tiefer ins Grübeln kommen und erkennen, dass er im falschen Unternehmen sitzt. Der Effekt passt dann wohl nicht zur Aufgabe der Führungskraft.

Weil sie eben KEIN Coach ist. Und es deshalb auch keine Frage der Haltung ist. Wenn ich in einer hierarchischen Organisation arbeite, in der Führungskräfte die Verantwortung für Entscheidungen haben, dann sollen diese meinetwegen erst mal nachfragen, was genau das Problem ist und mir damit vielleicht auch helfen zu entscheiden, ob ich beim nächsten Mal wirklich zum Chef laufen muss. Aber ansonsten sollten sie das Coachen einem Coach überlassen.

Das mag anders aussehen in Organisationen, die auf die klassische Führungskraft verzichten. In der es Menschen gibt, die eine Coaching-Ausbildung haben und von Kollegen angesprochen werden können, wenn sie in Entscheidungsproblemen stecken. Was aber eine völlig andere Situation ist.

Deshalb weiterhin meine Empfehlung: Hört auf, Führungskräften Coachingfragen zu verkaufen, auch wenn der Anspruch über das reine Verkaufen von Coachingausbildungen hinaus geht. Es ist schon schwer genug ihnen zu vermitteln, einfach mal zuzuhören.

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