PRAXIS: Keine ganz neue Erkenntnis: Es hilft einem die schönste Kommunikationstechnik wenig, wenn das Gegenüber anders als erwartet reagiert. Oder unsere Technik als solche erkennt und erst recht nicht mitspielt. Aber es gibt ein paar Grundhaltungen, die wirklich nützlich sind. Egal ob vor einem schwierigen Gespräch oder einem heiklen Meeting.
Das Problem mit der Einstellung: Sie lässt sich nicht so einfach wie eine Technik trainieren. Alles was wir tun können, ist uns vor und während der Situation selbst daran erinnern und hoffen, dass wir nicht erst nachher wieder erkennen: „Mist, ich wollte doch eigentlich ganz anders in diese Besprechung gehen.“
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10 Haltungen
Schauen wir uns einmal zehn Haltungen an, die Michael Rossié (Haltung hilft) in der managerSeminare empfiehlt. Interessant ist dabei auch, was der gelernte Schauspieler über Authentizität sagt und warum so manches Training gar nicht funktionieren kann. Los geht es:
- Offenheit: Rechnen Sie damit, dass die Situation anders ausgeht als Sie es vermuten. Seien Sie bereit, überrascht zu werden – positiv überrascht ist hier gemeint. Am besten sind Sie freudig gespannt nach dem Motto: Mal schauen, was die Gruppe / der andere zur Lösung beisteuert.
- Vorbereitung: Es ist immer gut, Fakten und Daten im Kopf zu haben, aber mehr auch nicht. Gehen Sie davon aus, dass Sie Ihnen im richtigen Moment schon einfallen werden. Falls das nicht passiert, haben Sie sie eben nicht benötigt. Soll heißen: Sie müssen kein Schauspieler sein, der seine Sätze auswendig parat hat. Gut ist es, wenn Sie Geschichten im Kopf haben, die Sie bei Bedarf einsetzen können.
- Sympathie und Antipathie: Es ist normal, dass Sie für einzelne Gesprächspartner mehr oder weniger Sympathie empfinden. Dagegen werden Sie sich kaum wehren können. Aber Sie können entscheiden, ob Sie diesem Gefühl Raum geben, sich einzumischen. Es kann schon hilfreich sein, sich dieser Emotionen bewusst zu sein und dann zu beschließen, ihnen nicht die Macht zu überlassen. Sicher nicht einfach.
- Gewinnen: Überlegen Sie, ob Sie mit der Einstellung in das Gespräch gehen, gewinnen zu wollen. Falls ja, überdenken Sie diese Haltung lieber noch einmal. Gewinner erzeugen Verlierer, langfristig keine gute Idee.
- Fehler und Lügen: Nehmen Sie sich vor, zum einen bei der Wahrheit zu bleiben und zum anderen zuzugeben, wenn Sie einen Fehler gemacht haben. Letzteres erspart Ihnen nicht nur peinliche Momente, sondern auch lästige Debatten darüber, wer denn nun wirklich Schuld hat. Am besten sofort bekannt geben: „Tut mir leid, das habe ich falsch dargestellt!“ oder so ähnlich. Und das mit der Unwahrheit sagen in der Hoffnung, damit durchzukommen, ist auch keine gute Idee. Klingt banal, aber hin und wieder ist es ja schon verlockend zu behaupten: „Davon habe ich noch nie gehört!“ oder „Ich hab mehrmals versucht, ihn zu erreichen!“ Das hat etwas mit dem Thema „Authentisch sein“ zu tun.
- Rossié empfiehlt zum Beispiel auch, das mit dem Spiegeln sein zu lassen, wenn es nicht mehr als eine Technik ist. Natürlich dürfen Sie die Frage stellen: „Habe ich Sie richtig verstanden, dass …“. Aber nur, wenn Sie wirklich nicht sicher sind, was gemeint war. Sonst wird das Spiegeln schnell zu durchschaubaren Taktik und erzeugt das Gegenteil der erhofften Wirkung.
- Ähnlich ist es mit der Haltung zum Thema Schlagfertigkeit. Dazu gibt es viele Ratgeber und noch mehr Seminare, und es mag ja manchmal auch richtig gut tun, den anderen mit einem gelungenen Konter zu Boden zu schicken. Aber wozu wollen Sie das?
Nur was tun, wenn uns wirklich mal die Worte fehlen? Die klassischen Tipps der Verkäufer von Rhetoriktrainings: Gewinnen Sie Zeit, indem a) Die Frage wiederholen, b) Die Frage würdigen („Das ist eine gute Frage!“ – sehr beliebt bei Politikern, die alle offenbar die gleichen Trainings buchen), c) Fragen in die Runde stellen, damit die anderen für Sie antworten, d) Eine Gegenfrage stellen.Rossié hält von all dem nichts, und zu Recht, wie ich finde. Ein feiner Satz: „Tricks, die in Kursen gelehrt werden, sind keine Tricks mehr!“ Soll heißen: Eine Gegenfrage zu stellen, ist in Ordnung, wenn man diese Frage hat, aber nicht, wenn man damit Zeit schinden will und hofft, dass der andere das nicht merkt. Stattdessen lieber eine Bitte äußeren: „Lassen Sie mich einen Moment nachdenken.“ Na, das wäre doch mal was, oder? Aber eine Führungskraft oder ein Trainer oder ein Politiker, der nachdenken muss, bevor er etwas sagt – geht das überhaupt?
- Überzeugen: Klar, wir möchten in der Regel andere von etwas überzeugen, also tendieren wir dazu, viel zu sagen und möglichst umfangreich Informationen loszuwerden. Die Alternative: Zuhören, dann fällt einem bald auf, welche Informationen der andere wirklich benötigt und nicht schön längst hat. Dazu passt auch die vorletzte Einstellung, nämlich die zu dem Gespräch auf Augenhöhe. Das klappt nämlich nicht, wenn wir andere belehren wollen oder mit der Haltung in eine Runde gehen, den anderen etwas beibringen zu wollen. Das mag kaum einer.
- Und schließlich bricht der Autor noch eine Lanze für den Smalltalk. Auch wenn er Ihnen manchmal lästig erscheint: Betrachten Sie ihn einfach als Angebot an den anderen oder von den anderen an Sie, ins Gespräch zu kommen.
Fazit
Ganz schon viel auf einmal, oder? Zusammengefasst: Prüfen Sie vor einer Besprechung oder einem Gespräch, ob Sie
- offen für Überraschungen sind,
- schöne Geschichten parat haben, ohne sie unbedingt los werden zu wollen,
- jemanden mögen und oder jemanden nicht mögen und ob Sie sich davon beeinflussen lassen wollen,
- keinen Sieg anstreben (sondern ein gutes Gespräch),
- bereit sind, Fehler zuzugeben und zu ihnen zu stehen,
- Spiegeln und Zeit schinden zu vergessen und nur bei echtem Verständnisproblem nachfragen wollen, ansonsten in kniffligen Situationen darum bitten, kurz nachdenken zu dürfen,
- dem Bedürfnis widerstehen möchten, andere informieren und belehren zu wollen,
- gnädig gegenüber Smalltalk sein können.
Und wenn das nicht alles auf einmal gelingt, dann probieren Sie es mit Teilen davon. Es lohnt sich.