1. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Professionelle Untertänigkeit

KRITIK: Starre Hierarchien seien von gestern, heutzutage herrscht Augenhöhe, heißt es. Wirklich? Wer in Unternehmen hineinschaut, macht interessante Erfahrungen. Und könnte den Eindruck bekommen, dass es vielen Mitarbeitenden schwer fällt, „das über Jahrzehnte antrainierte Verhalten der professionellen Untertänigkeit“ (Verliebt ins Dienen) abzulegen. Die Autorin der Kolumne in der Wirtschaftswoche berichtet von einem persönlichen Erlebnis, das ich gerne ergänzen möchte.

Was ist passiert? Sie war 45 Minuten vor Beginn eines Termins bei einem Unternehmen, das sie berät, einbestellt worden. Die dort versammelten Mitarbeitenden bereiteten sie minutiös auf das Treffen mit dem Vorstand vor. Immer wieder wurden ihr die Agenda erklärt, das Siezen ans Herz gelegt und die Einstellungen des Beamers überprüft.


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Als der Vorstand erscheint, ist sie überrascht. Keine Spur von Despot, sondern ein entspannter, jovialer Typ, der sie duzt „und der straffen Agenda keinerlei Beachtung schenkt“. Als sie ihn darauf anspricht, erklärt er, dass „Hierarchiebildung leider nicht nur Chefsache sei“, er hätte schon alles versucht, um die „soziale Interaktion aufzuweichen“„. Ihre Schlussfolgerung: In Belegschaften gibt es eine „tief sitzende Obrigkeitsliebe“, die aus der Erfahrung vieler Jahre stammt, in denen man gelernt hat, dass nur aufsteigen kann, wer sich entsprechend angepasst verhält.

Eine eigene Erfahrung

Meine eigenen Erlebnisse aus den vergangenen Monaten sind nicht ganz so drastisch, aber durchaus vergleichbar: Auftraggeber, die ich als sehr angenehm, verständnisvoll, empathisch erlebe, mit dem Anspruch, ihre Belegschaft einzubinden, sich für deren Meinung interessieren und moderierte Teammeetings initiieren, um alle ins Boot zu holen. Und dann werde ich als Moderator angesprochen: „Sagen Sie mal, wir haben da ein heikles Thema, dürfen wir das hier zur Sprache bringen?“

Ich bemühe mal eine vergleichbare Situation und frage: Haben Sie als Kind oder Jugendliche Ihre Eltern in alles einbezogen? Haben Sie Dinge offen angesprochen, wohl wissend, dass dies zu schwierigen Diskussionen führen würde? Und am Ende vielleicht ein Verbot oder eine erzieherische Maßnahme stehen könnte? Mir haben meine erwachsenen Kinder mal schmunzelnd erzählt, was ich alles nicht mitbekommen habe …

Augenhöhe – ich echt

Und jetzt die Parallele: Warum tun sich Mitarbeitende so schwer, Ihre Chefs wie „Ihresgleichen“ zu behandeln? Warum verrenken sie sich, formulieren Kritik so vorsichtig wie möglich oder sparen sie gleich ganz? Warum veranstalteten die oben erwähnten Kollegen ein solches „Brimborium“ zur Vorbereitung des Meetings? Weil sie bestimmte Erfahrungen gemacht haben. Egal, wie kameradschaftlich sich der erwähnte Vorstand gibt – es wird Situationen gegeben haben, in denen er sich über eine schlecht vorbereitete Sitzung geärgert und seinen Ärger ausgedrückt hat. Das ist menschlich und normal.

Das sollten die Mitarbeitenden verkraften können, nur:  So lange es Vorstände gibt, werden diese ihre Nachfolger danach auswählen, wie zufrieden sie mit den potenziellen Kandidaten sind. Egal, wie flach die Hierarchien auch sein mögen. Und egal, wie oft sie betonen, dass sie Mitarbeitenden auf Augenhöhe begegnen wollen. Mag sein, dass es überall vielerorts entspannter und partnerschaftlicher zugeht: Warum sollte jemand riskieren, in Ungnade zu fallen bei denjenigen, die ein gewichtiges Wort in Sachen Karriere mitreden werden oder sogar die letztendliche Entscheidung fällen?

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