REZENSION: Peter Michael Bak – Psychologie als Wissenschaft. Grundlagen, Probleme und Herausforderungen. Springer 2025.
„Mein Sohn…“ – und noch häufiger: „Meine Tochter – hat gerade Abitur gemacht und möchte jetzt unbedingt Psychologie studieren, weil das sooo interessant ist!“ So oder ähnlich hören sich momentan besonders häufig Eltern-Gespräche an (zumindest in den Bundesländern, in denen überhaupt noch Gymnasial-Absolvent(inn)en die Schule verlassen). Dabei kann auch der Rezensent aus eigener Erfahrung nur die weitverbreitete Beobachtung unterstreichen, dass sich bei der Beschäftigung mit wissenschaftlicher Psychologie diese sich sehr rasch als etwas reichlich anderes entpuppt, als ursprünglich erwartet wurde:
Weder wird – gerade in den frühen Grundlagen-Semestern – an der Hochschule beigebracht, wie man bei sich und anderen „echte Probleme“ bis hin zu psychischen Störungen leichterhand erkennt und beseitigt. Noch werden dort die von Wolf Maahn weiland besungenen „Hobby-Freuds“ ausgebildet, die den Gegenüber mit raschem Blick „direkt gecheckt“ haben. Stattdessen muss wirklich jeder Psychologie-Studierende – ob gewollt oder auch nicht – ein Grundgerüst an Methodenausbildung durchlaufen. Dazu zählen an ALLEN Hochschulen Fächer wie „Statistik“ oder auch „Testkonstruktion“. Die dann auch unvermeidlich abgeprüft werden (und sich damit zuweilen als echter Flaschenhals für das studentische Fortkommen erweisen).
Tour d’Horizon
Doch oberhalb solcher tendenziell eher mathematisch-technischen Inhalte kommt in vielen Lehrplänen ein Thema rasch zu kurz, für das Peter Bak hier – dankenswerterweise! – ein kompaktes Lehrbuch vorstellt, nämlich die „Psychologie als Wissenschaft“ per se. Und dabei geht es dann nicht um unvermeidliche Theorien zu Gedächtnis und Motivation (Allgemeine I + II) oder zu Persönlichkeitsunterschieden („Differentielle Psychologie“). Sondern um den dahinter liegenden Kern der Psychologie: Das (bewusste & unbewusste) Verhalten, das Körper-Geist-Problem, das Beschreiben, Erklären und Vorhersagen von psychologischen Inhalten. Dazu kommt dann die Frage, wie die wissenschaftliche Psychologie zu Erkenntnissen gelangt: Nämlich über Beobachtungen und Experimente, woraus Theorien abgeleitet werden, die wiederum auf Hypothesen basiert sein sollten, die überprüft werden können (Operationalisieren – Messen – Entscheiden), einschließlich der Unterscheidung zwischen „Kausalität vs. Korrelation“.
Doch der Autor beschränkt sich – ungeachtet der kompakten Darstellung von nur knapp 140 Seiten – nicht auf eine idealtypische Beschreibung dieser wissenschaftlichen Herangehensweisen. Er reflektiert auch kritisch die Probleme der offensichtlichen „Erfolgsgeschichte Psychologie“. Hierzu zählen zu punktuelle, quasi „inselartige“ Konzepte oder „Alter Wein in neuen Schläuchen“. Bis hin zum Vorwurf eines gänzlichen „Theoriestillstandes“, was u.a. auch mit dem Publikationsdruck der wissenschaftlichen „Produzenten“ zusammenhängen mag. Auch das schon oft kritisierte Delta zwischen theoretischer Psychologie und ihrer Anwendbarkeit in der Praxis wird keineswegs verschwiegen. Ebenso wenig wie das weiterhin aktuelle Thema mangelnde begriffliche Klarheit.
Orientieren vor dem Studieren
Dabei gibt sich der Autor selbst große Mühe, auch etwas sperrige Begriffe wie „Systematizität“ verständlich zu erklären, bevor er sie weiter ausführt. Mit guten Gründen verzichtet er auf eine „Best-of“-Zusammenstellung der bekanntesten psychologischen Experimente wie „Milgram = Gehorsamkeit“ oder „Zimbardo = Gefängnis“ oder die Kontroverse um „Freuds Penisneid samt oraler Phase“, um mal bekannte „Gassenhauer“ zu strapazieren. Gleichwohl greift er immer wieder als passende Beispiele „große“ Theorien wie die Lewinsche Feldtheorie oder methodische Basics wie „abhängige vs. unabhängige Variable“ und die Gütekriterien heraus, um seine Darstellung besonders verständlich und leicht nachvollziehbar zu gestalten, gerne auch in separaten Text-Kästen zur Vertiefung.
Im Vorwort empfiehlt Peter Bak seiner Leserschaft, das Buch idealerweise von „vorne nach hinten durchzulesen“. Und damit macht sicherlich niemand einen Fehler! Allerdings gehört dazu neben Durchhaltevermögen auch die Bereitschaft, sich auf die intellektuelle „Flughöhe“ dieses am Ende doch etwas anspruchsvoll-nüchternen Themas einzulassen. Und so schließt sich dann auch der Kreis: Idealerweise würden sich Abiturient(inn)en noch vor dem Beginn ihres Psychologie-Studiums – zumindest ansatzweise – damit auseinandersetzen, was sie im Rahmen ihrer Ausbildung erwartet, und was eben nicht.
Kompakte Bücher wie das hier vorgestellte können für „kleines Geld“ viel Erkenntnis bieten. Mit diesem Buch – das trotz seines DIN-A-5-Formats sogar als Taschenbuch geführt wird – profitieren die Aspirant:innen dabei von der Fähigkeit zur aktuellen Übersichtsdarstellung durch einen echten Lehrbuch-Profi, der als Professor an der Hochschule Fresenius seit vielen Jahren an „vorderster Front“ in der akademischen Ausbildung steht.