INSPIRATION: Ich gestehe, dass ich das mit der inneren Uhr meist nicht so ernst genommen habe. Dabei ist die Chronobiologie eine etablierte Forschungsdisziplin, deren Erkenntnisse eigentlich längst Allgemeinwissen sind. Oder besser sein sollten. Denn nach wie vor gehen wir ziemlich fahrlässig mit unserem genetisch festgelegtem Rhythmus um.
Ein Biologe erklärt uns in der Brand eins (übrigens eine spannende Ausgabe zum Thema „Nachtleben“), was es mit dieser inneren Uhr auf sich hat. Klingt kompliziert: Unsere inneren Organe folgen einem jeweils eigenen Rhythmus, der sich kontinuierlich wiederholt und der mit den anderen Organen fein abgestimmt ist (Wie ungesund ist es, gegen die innere Uhr zu leben?). Sie sorgen dafür, dass unser Körper seine vielfältigen Aufgaben reibungslos durchführen kann. Diese Abläufe haben sich in der Evolution durchgesetzt und funktionieren wunderbar. Eigentlich.
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Modernes Zeitregime
Nur haben wir inzwischen unser Leben anders organisiert, es orientiert sich nicht mehr am eigentlichen Tagesablauf. Wir kennen das, wenn wir schon mal in andere Zeitzonen gereist sind. Anschließend sind wir gereizt, schwermütig, appetitlos und haben Verdauungsprobleme. Was mir nicht bekannt war: Die einzelnen Organe passen sich unterschiedlich schnell an die neue Situation an, das nennt man „interne Desynchronisation“.
Es gibt eine Studie, die gezeigt hat, dass eine einzige Nacht ohne Schlaf schon die Regulation durcheinander bringt – mit erhöhtem Risiko zum Beispiel für krankhaftes Übergewicht. Taktgeber für all das ist offenbar das Licht. Bekanntlich sind wir damit sehr verschwenderisch. Es gibt Regionen, da kann sich das Auge der Menschen schon nicht mehr vollständig an die Dunkelheit anpassen, z.B. in Singapur.
Für den Körper heißt das: Stimmen Aktivitätsphase und Helligkeitsphase nicht überein, passiert das Gleiche wie beim Jetlag, man spricht vom sozialen Jetlag. Nachtarbeiter haben daher dauernd das falsche Signal – mit dramatischen Folgen für die Gesundheit.
Sozialer Jetlag
Ein weiteres Phänomen: Es gibt nicht nur diesen einen biologischen Tages- / Nachtrhythmus. Wir Menschen ticken unterschiedlich: Extreme Lerchen schlafen von 20 Uhr bis 4 Uhr morgens, extreme Eulen gehen erst in den frühen Morgenstunden ins Bett. Die meisten Menschen sind auf eine Schlafenszeit von 24 Uhr bis 8 Uhr eingestellt. Auch die Dauer an benötigtem Schlaf variiert zwischen sechs und zehn Stunden (da bin ich etwas beruhigt – scheine ich doch deutlich mehr Schlaf zu brauchen als sieben Stunden.) Wobei wir im Alter immer mehr zu Lerchen werden.
Was tun? Zum einen ist es ungemein wichtig, verpassten Schlaf nachzuholen. Wer zehn Stunden braucht, sollte sie, wenn schon nicht nachts, dann am Wochenende oder per Mittagsschläfchen nachholen. Was uns offenbar immer schwerer fällt. „Wir schlafen im Durchschnitt eine Stunde weniger als noch vor 30 Jahren.“ (Chrono-Kapitalismus). Eine mögliche Ursache: Die Sorge, dass wir etwas verpassen, auch FOMO genannt (Fear of Missing Out). Vor allem fehlt es uns an „Me-Time“ – Zeit für selbst. Beleuchtete Bildschirme, Smartphones, ständige Meetings führen mehr und mehr dazu, dass wir uns nicht mit dem Tagesrhythmus, sondern mit anderen Menschen bzw. den von ihnen gestellten Erwartungen synchronisieren.
All das klingt nicht gut. Da wundert man sich, dass wir nicht längst viel häufiger ausfallen, offenbar kann der Mensch extrem viel verkraften. Und wenn nicht, helfen Schlaftracker, Schlaftherapien, Schlafmittel, Schlaftees und Schlafmittel – „Der Kapitalismus versucht wie immer, die durch ihn erzeugten Probleme zu lösen.“ (Stephan Jansen)