INSPIRATION: Corona hat viele Menschen ins Homeoffice gezwungen. Die Manager, die zuvor sehr skeptisch waren, ob all das wohl funktionieren würde, sind nun begeistert und wittern die Chance, daraus einen Dauerzustand zu machen. Die Vorteile liegen auf der Hand, aber die Nachteile werden gravierend sein. Prophezeit Reinhard Sprenger (Obacht vor trojanischen Dukateneseln). Warum?
Auch wenn es so scheint, als funktioniere das „Arbeiten ohne Zähneputzen“ wunderbar, so ist die Erfahrungszeit viel zu kurz, um die tatsächlichen Konsequenzen jetzt schon ziehen zu können. Zudem gibt es Forschungsergebnisse, die darauf hindeuten, dass virtuelle Teams eine geringere Produktivität aufweisen. Forscherteams, die an einem Ort zusammenarbeiten, werden doppelt so häufig zitiert wie jene, die über den Globus verteilt an einem Thema forschen. Und dann gibt es noch den Kollegeneffekt. Was bedeutet, dass in Teams die Schnellen die Langsamen mitziehen und die Stärkeren die Schwächeren.
Zu kurze Erfahrungszeit für weitreichende Prognosen
Die Schlussfolgerung: Wahre Kooperation funktioniert nur vor Ort, Unternehmen sind „vorrangig Kooperationsarenen, keine Koordinationsarenen“. Und ganz drastisch: „Wer also im Homeoffice leicht fällt, der hat vorher nicht wirklich zusammengearbeitet.“ Klingt für mich arg spekulativ. Der Erfahrungszeit ist doch, wie Sprenger selbst sagt, viel zu kurz, um schon Schlüsse zu ziehen. Dass Forschungsteams häufiger zitiert werden, wenn sie an einem Ort sitzen, ist nicht unbedingt ein Zeichen von höherer Produktivität. Hier einen kausalen Zusammenhang herzustellen, finde ich gewagt. Und der Kollegeneffekt – warum sollte der nicht auch virtuell funktionieren?
Da ist aber ein Argument, dass sicher nicht so einfach zu entkräften ist – das der zunehmenden „Tribalisierung“. Gemeint ist, dass sich bestimmte Gruppen von Mitarbeitern noch stärker als ohnehin schon von anderen abgrenzen, und dann könnte in der Tat die Kreativität arg leiden. Ich denke da an Betriebe, in denen die Ingenieure vor Ort sitzen, direkt in der Produktion. Entwickler neben Anwendern, Designer neben Handwerkern. Wenn die einen in Zukunft einen großen Teil ihrer Arbeitszeit im Homeoffice verbringen, dann könnte tatsächlich so mancher kreative Einfall verloren gehen oder gar nicht erst geäußert werden. Insofern stimme ich Sprenger zu: Man sollte nicht zu schnell aus den erstaunlich positiven Erfahrungen nun eine Regel machen, sondern weiter experimentieren.