PRAXIS: Ein interessanter Auftrag winkt – aber die Aufgabenstellung ist nicht eindeutig. Wie kläre ich als Berater / Trainer, was mein Auftraggeber genau möchte? Eine gar nicht so seltene Situation. Das erste Problem stellt sich oft schon mit dem Ansprechpartner.
Wir haben häufig erlebt, dass dem Berater nicht der eigentliche Auftraggeber gegenübersitzt, sondern ein Stellvertreter, z.B. der Personaler, der den Moderator engagiert, um eine Konferenz zu leiten, deren Gastgeber der Geschäftsleiter ist. Oder es ist durchaus derjenige, der für die Lösung des geschilderten Problems zuständig ist, aber nicht die Rückendeckung der übergeordneten Ebene hat. Sein Interesse unterscheidet sich in diesem Fall deutlich von dem des Managements, z.B. der Personalentwickler, der ein 360-Grad-Feedback im Unternehmen einführen möchte, aber dessen Geschäftsleitung dem Verfahren skeptisch gegenüber steht.
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Problem Nr. 2: Der Ansprechpartner kann oder darf nicht offen seine Ziele vertreten. Da berichtet Ihnen der Abteilungsleiter, wie viele Aktivitäten zur Zeit im Unternehmen laufen, wie groß die Verunsicherung in der Belegschaft ist und wie wichtig es ist, im Moment für Stabilität zu sorgen, aber Sie wurden gerufen, um die nächste Veränderung zu begleiten. Seine unausgesprochene Botschaft lautet: „Verschonen Sie uns mit einem weiteren Veränderungsprojekt.“
Problem Nr. 3 (und das ist sicher das komplizierteste): Sie haben es mit mehreren Gesprächspartnern zu tun, und Sie nehmen wahr, dass im Raum sehr unterschiedlichen Interessen vorhanden sind.
Es dürfte noch viele Beispiele geben, in denen Sie als Berater erkennen, dass ein Auftrag, der sich zunächst sehr einleuchtend anhörte, alles andere als klar ist und die Zielsetzung verschwommen bleibt. Der Rat ist einfach: Fragen Sie. Es gibt herrliche Fragen wie die nach dem Problem zur Lösung: „Wie müsste das Problem lauten, damit ein Seminar/ein Training/eine Schulung die Lösung des Problems darstellt?“ Aha-Effekte auf Seiten des Auftraggebers könnten die Folge sein. (An den richtigen Fäden ziehen). Oder diese vier Fragen.
Wenn alle Fragen die Zweifel nicht beseitigen, sprechen Sie Ihre Wahrnehmung aus. Sagen Sie, was Sie vermuten. Äußern Sie Ihre „Fantasien“ (nach Schulz von Thun „Realitätsüberprüfung von Phantasien“): „Nach allem, was ich bisher gehört habe, entsteht bei mir ein ganz bestimmtes Bild – mag sein, dass ich damit auch ganz daneben liege. Ich nenne es mal „meine Fantasie“, und die sieht so aus: Sie als Geschäftsführer würden es gerne sehen, wenn… Sie als Abteilungsleiter hegen gewisse Zweifel, weil… Was meinen Sie dazu?“
Ja, da gibt es noch ein Problem: Sie möchten den Auftrag. Und Sie fürchten, dass Sie mit zu großer Offenheit den Auftrag verlieren. Das ist durchaus möglich, und wenn wir hier behaupten, dass es sich dennoch langfristig auszahlt, dann mag das ein schwacher Trost sein. Probieren Sie es dennoch aus – vielleicht nicht beim ersten Mal mit aller Konsequenz, sondern schrittweise. Wenn Sie aber schon häufiger auf unklare Aufträge „hereingefallen“ sind, wagen Sie einmal bei einem Kunden die Konfrontation mit Ihren Eindrücken. Ein Aha-Erlebnis wird es auf alle Fälle.