INSPIRATION: Wenn ein Unternehmen in Bedrängnis gerät, versuchen sich einige an einem Wandel der Unternehmenskultur. Klingt verlockend, weil ja angeblich die Kultur alles andere prägt und beeinflusst. Aber der Weg ist ein Irrweg. Sagen drei Berater von metaplan im Harvard Business Manager (Den Wandel richtig managen), und ihre Argumentation überzeugt mich.
Sie geht so: Unternehmen haben drei Seiten:
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- Die Schauseite – das ist diejenige, die man nach außen präsentiert. Egal, wie schwierig und kompliziert die Lage intern ist, nach außen wird ein anderes Bild gemalt. Was in Ordnung ist, Mitarbeiter haben dafür Verständnis.
- Die formale Seite – das sind die Abläufe, Strukturen, die standardisierten Kommunikationswege, Zuständigkeiten, Vorgaben…
- Die informale Seite – die faktische Organisationskultur, die Regeln, die tatsächlich gelebt werden, damit die Organisation überhaupt funktioniert. Sie entsteht als Reaktion auf die formale Seite.
Wer einen Kulturwandel herbeiführen möchte und denkt, er könne das durch die Erarbeitung und Verkündung neuer Werte schaffen, der übersieht, dass dies nur die Arbeit an der Schauseite ist, und das hat keine Wirkung auf die informale Seite, sprich die Kultur. Im Gegenteil – das führt nur zu Zynismus. Somit wird das auch nichts mit dem Wandel – egal wie viele Workshops und Schulungen ich durchführe. Warum diese Change-Prozesse dann so beliebt sind? Weil sie eine Art bequeme Abkürzung zu sein scheinen: Ich muss nichts an meiner Organisation ändern, sondern muss nur neue Werte erarbeiten (lassen), sie verkünden und ab dann passen sich alle der neuen Zielkultur an. Schön wär’s.
Wenn ich etwas ändern möchte, dann muss ich an der Formalstruktur herumschrauben, das Feld der klassischen Unternehmensberater. Allerdings, und da kommen dann auch die Prozessberater ins Spiel, sollte man zuvor verstehen, wie die aktuelle Struktur die Kultur beeinflusst. Das wiederum versteht man weniger durch Mitarbeiterumfragen als vielmehr durch teilnehmende Beobachtung und Einzelinterviews – bei Gruppengesprächen kann es schon zu gegenseitiger Zensur kommen.
Und dann? Dann hat man zwei Möglichkeiten, die formale Struktur zu verändern: Entweder man beschließt mehr oder weniger Formailisierung. Also entweder Abbau von Regeln, Vorgaben, Hierarchie, Organigrammen und Berichtswegen oder aber eben mehr von allem, neue Regeln und Positionen bzw. Personen. Was dann passiert, nennen die Berater „Ausweichbewegungen“. Die Menschen werden ihr Verhalten ändern. Nicht in dem Sinne, dass sie sich nun an die neuen Vorgaben und Regeln halten, sondern ihnen eben anders ausweichen, Wege und Mittel finden, innerhalb der neuen formalen Struktur klarzukommen.
Klingt logisch. Umso erstaunlicher, dass wir in dem gleichen Heft einen Beitrag lesen, der eher den „herkömmlichen“ Weg beschreibt (Eine Frage der Kultur). Identisch ist das Verständnis von Kultur – nämlich die ungeschriebenen Regeln, also die informale Seite. Hier erfahren wir, dass Manager eine Zielkultur definieren sollten, wofür es hier ein Raster mit zwei Achsen (Stabilität vs. Flexibilität und Unabhängigkeit vs. gegenseitige Abhängigkeit) gibt und acht darin angeordneten Werten (Sinn, Fürsorglichkeit, Auftrag, Sicherheit, Autorität, Ergebnisse, Freude, Lernen). Die Analyse der bisherigen Kultur ergibt ein bestimmtes Muster, dann entscheidet man, wo es hingehen soll, worauf die bekannten Maßnahmen folgen:
Passende Führungskräfte auswählen bzw. vorhandene schulen, die neuen Werte kommunizieren und schließlich, sieh an, den Kulturwandel durch die Organisationsstruktur unterstützen. Hier überlappen die Konzepte, aber während bei dem einen die Organisationsstruktur den Anfang macht bzw. der eigentliche Treiber des Wandels ist, ohne den es gar nicht funktioniert, wird hier behauptet, eine passende Struktur mache den Wandel „erheblich einfacher“. Sprich: Es geht auch ohne.
Mein Eindruck ist, dass hier, wie im anderen Beitrag erläutert, wieder die bequeme Abkürzung versprochen wird: Wir haben ein Tool, mit dem wir eure Kultur analysieren und eine Zielkultur beschreiben können und das euch dabei hilft, die gewünschte neue Kultur zu implementieren. Ein mühsamer und vermutlich in den meisten Fällen vergeblicher Weg.