KRITIK: Irgendwie hatte doch schon Frankenstein die Idee: Dass man mit technischen Mitteln einen deutlich leistungsfähigeren Menschen erschaffen könne als die Natur das fertigbringt. Es scheint inzwischen so einige „Frankensteins“ zu geben, die sich Biohacker nennen. Kommt in Zeiten, in denen man schon sehr fit sein muss, um dem Leistungsdruck standzuhalten, offenbar gut an.
Die Wirtschaftswoche hat sich bei den Selbstoptimierern, Vermessern und Verbesserern ein wenig umgeschaut und einige seltsame Dinge gefunden (Karriere aus der Kältekammer). Da finden sich nicht erst seit heute alle möglichen Nahrungsergänzungsmittel, deren Wirkung alles andere als nachgewiesen ist. Ein Wissenschaftler, der das auch so sieht, schluckt sie dennoch – er glaubt an den Placebo-Effekt. Witzig.
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Einer, der diese Mittelchen zu seinem Geschäft gemacht hat, glaubt angeblich noch ganz andere Dinge und probiert sie an sich aus. Sensoren sagen ihm, ob er gut oder schlecht geschlafen hat, entsprechend gestaltet er die erste Nahrungsaufnahme. Abends trägt er eine Brille, die Blaulicht filtert, meditiert mit Hilfe eines Stirnbandes, das sein Gehirnströme aufzeichnet und schluckt ein Hormon, das seinem Körper signalisiert, dass er jetzt Schlaf benötigt. Und das alles, weil er den „individuell perfekten Rhythmus finden möchte, um leistungsfähig zu sein“.
Unter Selbstoptimierern
So ist das also: In Zukunft werden wir genau wissen, was wir benötigen, um optimale Leistungen zu erbringen. Und wir werden die Technik und Mittel haben, um unseren Körper so zu steuern, dass er genau dann optimal eingestellt ist, wenn wir Höchstleistung erbringen wollen. Entsprechend natürlich auch werden die Erholungsphasen geplant und geregelt. Einleuchtend?
Nicht so wirklich, sagen die Kritiker. Was wirklich optimaler Schlaf ist, wissen wir gar nicht. Was für den einen gut ist, mag für den anderen noch lange nicht passen. „Nur weil der Schlaf nicht der Norm entspreche, sei man nicht gleich krank.“ Oder optimierungsbedürftig. Was mir auch einleuchtet: Wenn wir es tatsächlich schaffen würden, uns auf einen bestimmten Tagesrhythmus zu programmieren, mag das für bestimmte Tätigkeiten sinnvoll sein, aber Routinen können auch stark einschränken. „Das Gehirn braucht Abwechslung, um leistungsfähig zu bleiben,“ sagt ein Neurowissenschaftler. Die perfekte Routine sollten wir vielleicht dann doch dem Roboter überlassen.
Was bleibt dann überhaupt, um uns gegen den Stress und den Dauerdruck zu wappnen? Die Maßnahmen kannten schon unsere Großeltern und ihre Wirksamkeit ist wissenschaftlich nachgewiesen. Mindestens 30 Sekunden kalt duschen und regelmäßig körperlich aktiv sein. Beides trägt dazu bei, dass wir bei regelmäßiger „Anwendung“ deutlich seltener krank werden. Auch ein Vorteil dieser simplen Methoden: Ihre Wirkung lässt sich leichter nachweisen. Der ganze Kram mit der Selbstoptimierung ist bis jetzt reine Glaubenssache. Der entscheidende Nachteil der simplen Methoden: Man braucht Selbstdisziplin und es ist nicht mit dem Einwerfen von Mitteln getan. Zu dumm …