PRAXIS: Wie verhindert man „Schaukämpfe“ in Sitzungen, bei denen es um Recht haben, um Gewinnen, Status und Macht geht? Man unterbindet Rechtfertigungen. So etwas soll es bei der Beratungsfirma A.T. Kearny geben. Dort nennt man es „Blue-Team-Sitzung“. Wenn ein Teilnehmer sein Projekt vorstellt, dürfen kritische Anmerkungen gemacht werden, aber der Vortragende darf sich nicht rechtfertigen. Dadurch wird er gezwungen, die Anmerkungen nur aufzunehmen und sich dazu Gedanken zu machen, ein „Rechtfertigungstribunal“ unterbleibt.
Ob das funktioniert? Ich weiß es nicht, auch nicht, ob es dieses Ritual dort noch gibt. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass man trainieren kann, nicht sofort zu kontern. Als Ergänzung: Ich würde bei einem solchen Meeting dafür sorgen, dass alle Einwände für alle sichtbar notiert werden. Zum einen, um Wiederholungen zu vermeiden, zum anderen, um dem Vortragenden eine Art Protokoll mitgeben zu können, um die Punkte nach dem Meeting abzuarbeiten.
Bleibt die Frage, was mit kritischen Fragen geschieht. Was, wenn der Fragende eine Antwort möchte, aber klar ist, dass in der Frage auch eine Kritik steckt? Und was, wenn Bedenken geäußert werden, die der Vortragende eigentlich sofort ausräumen könnte?
Damit wird eigentlich deutlich, dass ein „Blue-Team-Meeting“ ein ganz spezielles Format sein muss. Nämlich eines, dass der Betreffende praktisch selbst einfordert, um sein Konzept einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Nach dem Motto: „Ich bin jetzt soweit, mein Projekt einem ersten Test zu unterziehen. Ich möchte euch meinen „Prototypen“ vorstellen und erwarte eure Kritik, zu der ich aber keine Stellung beziehe.“
(aus: Jochen Mai: Eine Runde mit Leid, Wirtschaftswoche 38/2009, S. 91)