4. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Corona als Gamechanger

INSPIRATION: Hektische Betriebsamkeit bei den Personalern: Ganz unerwartet neigt sich die Pandemie ihrem Ende zu und sie haben vielerorts kein Konzept, wie es in Sachen Homeoffice weitergehen soll. Man sollte meinen, dass es nach fast zwei Jahren Leerstand in den Büroetagen genügend Erfahrungen gibt, aber die Erkenntnisse sind widersprüchlich.

Die Vorzüge sind offensichtlich: Viel weniger Pendeln, massenhaft Zeit eingespart, leere Straßen, weniger Büroflächen, die dem Städebau neue Chancen eröffnen. Was für eine Vorstellung: Statt reiner Büroviertel könnte man in den Innenstädten Wohnen und Arbeiten wieder verbinden, die leeren Büros könnten in Wohnraum verwandelt werden, der wieder bezahlbar wäre, der Verkehr würde sich wieder auf ein erträgliches Maß reduzieren.

Aber das sind wohl im Moment nicht die entscheidenden Überlegungen der Personaler. Sie haben festgestellt, dass es tatsächlich funktioniert, wenn man die Mitarbeiter nicht täglich kontrolliert, sondern sie ihre Arbeit selbst organisieren. Und dass man auf diese Weise prächtig einsparen kann durch die Reduktion von Büroflächen. Die Frage, die die Experten bewegt, lautet aber: Sind die Menschen im Homeoffice auch produktiv?

Man sollte meinen, es gäbe inzwischen genügend Erkenntnisse hierzu, um verlässliche Aussagen treffen zu können. Eine Studie an 10.000 Mitarbeitern eines IT-Unternehmens in Asien ergab, dass deren Arbeitszeit um 30% stieg, aber ihre Arbeitsleistung gleich blieb, die Produkitivät sank also. Eine andere Studie mit amerikanischen Arbeitnehmern kam zu dem Ergebnis, dass deren Produktivität allein durch die Einsparung der Fahrt zum Arbeitsplatz um 5% stieg.

Daraus lassen sich also noch keine Entscheidungen ableiten. Ein wesentliches Argument kommt immer wieder: Menschen brauchen konkrete Begegnungen, um kreativ sein zu können. Nur wenn sie häufiger und ungeplant aufeinandertreffen, entwickeln sie Ideen. Andere haben die Erfahrung gemacht, dass ein festes Büro nicht mehr notwendig ist, es habe sich gezeigt, dass man  „in vielen Bereichen zu fast 100% virtuell zusammenarbeiten“ kann.

Was wird also geschehen? Was planen die Unternehmen? Die Wirtschaftswoche hat sich umgehört (Home oder Office?), und siehe da, es gibt keine einheitlichen Vorgehensweisen. Bei TUI wird es in der Zentrale weiterhin Homeoffice für alle geben. Porsche „erlaubt“ pro Monat 12 Tage Homeoffice im Monat. Bayer rechnet mit einer dauerhaften Home-Office-Quote von 40 bis 60%. Bei Google, wo man stolz auf seinen Campus ist, an dem die vielen kreativen Einfälle sprudeln, sollen 20% der Mitarbeiter von zu Hause arbeiten, vier Wochen im Jahr darf jeder arbeiten wo er will.

Es sieht so aus, als ob es keinen „richtigen“ Weg gibt und jedes Unternehmen einen eigenen finden muss. Zeit für Experimente, denn während man in Corona-Zeiten nicht die Wahl hatte, kann man jetzt wirklich ausprobieren und sollte sich nicht vorschnell für das eine odere andere entscheiden. Denn tatsächlich lauern da auch einige Gefahren. Bekanntlich sind diejenigen, die seltener präsent sind, weniger sichtbar, wie die Teilzeitmitarbeiter. Mit der Folge, dass sie bei Karriereentscheidungen leicht übersehen werden. Das könnte die Menschen wieder ins Büro treiben.

Auch ein Knackpunkt: Bei Meetings sollte man entweder auf komplette Präsenz setzen oder komplett virtuell miteinander reden. Mischformen, bei denen die einen am Tisch und die anderen am Bildschirm sitzen, führen dazu, dass die Anwesenden deutlich häufiger zu Wort kommen. Google hat einen witzigen Versuch gestartet: In einem Halbkreis wurden Mitarbeiter und Bildschirme abwechselnd platziert, damit auch die mobilen Arbeiter wahrgenommen werden. War wohl auch nicht optimal.

Und schließlich: Zumindest hierzulande ist das mit dem Homeoffice für Unternehmen nicht unbedingt so viel günstiger. Immerhin müssen sie ihren Mitarbeitern auch in den eigenen vier Wänden einen angemessenen Arbeitsplatz einrichten. Oder gar einen Mietzuschuss zahlen. Ganz abgesehen von den Regelungen zur Arbeitszeit….

ABER – und das wird wohl den Ausschlag geben – die eigentliche „Gefahr“ für Arbeitgeber ist, dass die Menschen flexibel arbeiten wollen. Soll heißen: Manche möchten täglich selbst entscheiden, wann und wo sie arbeiten. Andere hätten gerne feste Regeln. Wieder andere brauchen den Arbeitsplatz außerhalb des eigenen Heims, weil sie dort einfach nicht produktiv genug sind und vor allem den sozialen Kontakt vermissen. Was also auch immer sich die Personaler an Systemen und Regeln überlegen, sie werden es nicht jedem Recht machen: „Es gibt keine Einheitsgröße für ein gutes Arbeitskonzept„, sagt die Personalchefin der Software AG. Und das ist wohl so.

Da scheint mir der Ansatz bei der Deutschen Bahn der erfolgversprechendste zu sein: Sollen es doch die Beschäftigten unter sich aus machen. Man will von Geschäftsbereich zu Geschäftsbereich unterschiedliche Lösungen zulassen, und die Mitarbeiter sollen an diesen mitwirken. Eine echte Herausforderung, aber wer als moderner Arbeitgeber gefragt sein will, hat wohl kaum eine andere Wahl.

Übrigens: Dass man zu Hause viel mehr abgelenkt wird als im Büro, trifft nicht unbedingt zu. Es hängt davon ab, wie man mit Störungen umgeht. Für manche erhöht die Ablenkung durch Kollegen das Zugehörigkeitsgefühl, und laut einer Studie gaben Teilnehmer, die durch Chatnachrichten unterbrochen wurden, an, dass sie sich ruhiger und besser gelaunt fühlten als die Teilnehmer der Kontrollgruppe (Bitte stören!). Also nicht mal das mit der Ablenkung ist ein Kriterium für oder gegen das Homeoffice.

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