INSPIRATION: Klassischerweise stellen Führungskräfte zusammen mit dem Personaler neue Mitarbeiter ein. Wie soll der Prozess laufen, wenn Organisationen nur noch aus sich selbstorganisierenden Teams besteht? Kann das funktionieren?
In der managerSeminare stellt Hermann Arnold, der Autor von „Wir sind Chef“, einen Prozess vor, bei dem die Kollegen alle Schritte, von der Definition der Anforderungen über die Stellenausschreibung, das Vorstellungsgespräch, die Einstellungsentscheidung und die Gehaltsverhandlung, selbstständig durchführen (Kollegen selbst auswählen). Dazu werden zuvor vier Rollen definiert: Der Verantwortliche, der Gesprächsführer, der Assistent und der Administrator. Und es gibt ein Einstellungsteam, bei dessen Besetzung mindestens zwei Mitglieder des Teams, für das der oder die Neue eingestellt wird, berücksichtigt werden sowie jemand aus einem Team, zu dem es Schnittstellen gibt.
Die 13 Schritte (von der Bedarfserhebung bis zur Probezeit) unterscheiden sich nicht von herkömmlichen Prozessen. Es gibt zwei Vorstellungsgespräche: Das erste führt der Gesprächsführer zusammen mit dem Assistenten (bei bedarf auch per Videokonferenz), das zweite das Einstellungsteam (drei bis fünf Mitglieder). Dieses Team trifft auch die Entscheidung, wobei vorher geklärt wird, nach welcher Methode (Mehrheit, Konsens etc.).
Vielleicht noch interessant: Vor der eigentlichen Entscheidung findet ein Schnupptertag mit dem Kandidaten statt – etwas, das man eher selten in klassischen Einstellungsprozessen findet.
Eine sinnvolle Vorgehensweise? Unbedingt. Und sie hat meines Erachtens keineswegs etwas mit der Art der Organisation zu tun. Ob Hierarchie oder Selbstorganisation – wieso glaubt man eigentlich, dass Führungskräfte besonders befähigt sind, die Eignung von Mitarbeitern zu erkennen? Und vor allem die Passung zur Kultur? Und selbst wenn: Es sind doch am Ende die Kollegen, die den Neuen einarbeiten und in den Arbeitsprozess integrieren müssen. Sie an der Entscheidung nicht zu beteiligen, halte ich für einen groben Patzer.
Die Realität? Sieht wohl immer noch anders aus: „Hier ist Ihr neuer Kollege! Zeigen sie ihm mal seinen Arbeitsplatz.“ Eine Begründung, warum die Personalauswahl Chef-Sache ist, höre ich immer wieder: Der neue Kollege muss ja nicht nur ins Team passen, sondern man muss auch nach vorne schauen, auf die Eignung für zukünftige, „höhere“ Aufgaben. Da habe ich schon Situationen erlebt, bei denen die Personaler ganz begeistert von einem Kandidaten waren, in dem sie schon den zukünftigen „High Potential“ erkannt hatten, aber die Fachabteilung die Hände über dem Kopf zusammen schlug und ihn für die offene Stelle entsetzt ablehnte.
Was spricht denn dagegen, ein gemischtes Team zu bilden, wenn man die Auswahl nicht ganz dem Team überlassen will? Dann aber sicherstellen, dass alle Beteiligten die gleiche „Macht“ bei der Entscheidung haben. Auch schon erlebt: Kollegen wurden befragt, aber ihre Meinung am Ende doch nicht berücksichtigt. Ganz schlecht für den zukünftigen Schreibtischnachbarn…