INSPIRATION: Stellen Sie sich vor, Sie stehen auf einer Scheibe, die in der Mitte aufliegt, und versuchen, die Balance zu halten. Von außen wirken alle möglichen Einflüsse, die Sie nicht ändern können. So ungefähr kann man sich das Modell des ethischen Unternehmens vorstellen. Wobei die drei Bereiche Produkt, Arbeit und Wirtschaftlichkeit in Balance sein sollten. Das jedenfalls versucht ein Bäcker, der sich auf seine Wurzeln besonnen hat und nun eine Kultur der Wertschätzung, des Sinnerlebens und der Mitbestimmung aufbaut (En Balance).
Die Geschichte, die einer der Mitbegründer von BioKaiser und heutige Inhaber in der managerSeminare erzählt, ist spannend. Angefangen hat alles in den 70er Jahren als Kommune, die sich als Lebens- und Produktionsgemeinschaft verstand. Alles wurde geteilt, jeder bekam den gleichen Lohn, das Bio-Brot wurde auf Demos verkauft, Überschüsse an Bürgerinitiativen verteilt. Kurz: Es ging darum, die Welt zu verbessern. Ein hoher Anspruch für Menschen, die Brot backen.
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Das Scheitern
Als die Gruppe wuchs, begannen die Auseinandersetzungen. Das Experiment des egalitären Lebens- und Arbeitskonzeptes scheiterte. Was blieb, war die Bäckerei, und aus dem Gründer wurde ein klassischer Chef. Der hatte plötzlich „Spaß daran, Macht und Kontrolle auszuüben.“ Es ging nun darum, immer mehr und immer schneller zu produzieren, schließlich war er „zu seinem eigenen Feindbild mutiert.“ Ende der 90er war das Unternehmen kaum noch zu retten, „es herrschte Disbalance auf allen Ebenen.“
Ein Berater half ihm zu erkennen, dass er sein Misstrauen und seinen Kontrollwahn aufgeben musste. Wesentliche Anregungen zog er aus den Ansichten von Moshé Feldenkrais. So kam auch das eingangs beschriebene Konzept des ethischen Unternehmens zustande: Es gilt, die drei Bereiche „Arbeit“ (verstanden als alles, was mit den Menschen zu tun hat), Wirtschaftlichkeit (die wirtschaftlichen Zahlen) und Produkt (oder Dienstleistung, das, was man dem Kunden verkauft) in Balance zu bringen. Und darauf zu achten, dass keiner der drei dominiert. Gefällt mir übrigens viel besser als das zur herrschende Credo von „alles muss dem Kunden dienen.“ Was letztlich auch zu einer Disbalance führen muss.
Die Balance
Innerhalb der drei Bereiche finden sich vertraute Ansätze: Bei der Arbeit geht es darum, den Mensch und seine Bedürfnisse wieder in den Mittelpunkt zu rücken, Werte wie Ehrlichkeit, Transparenz und Fairness zu beachten. Nachvollziehbar, dass hier das Konzept der Agilität zunehmend eine Rolle spielen soll.
In Sachen Wirtschaftlichkeit hat man sich ein Gewinn-Limit gesetzt (4 bis 5%), alles darüber hinaus wird zur Verbesserung der Produkte oder der Arbeit verwendet oder geteilt – z.B. mit Mitarbeitern, Lieferanten, Foschungsmeinschaften oder Kunden. Außerdem arbeitet man an einem neuen Gesellschaftermodell, bei dem eine Stiftung Anteile am Unternehmen halten soll.
Die noch wichtigere Erkenntnis in meinen Augen: Er besann sich auf das, wozu die Bäckerei ursprünglich mal gegründet worden war: Nämlich „Lebensmittel herzustellen, die guttun.“ Das ist uns in der jüngeren Vergangenheit ja schon häufiger begegnet unter dem neumodischen „Purpose“: Wozu eigentlich wurde ein Unternehmen mal ins Leben gerufen? Das ursprüngliche Motto kann helfen, sich auf das zu besinnen, worum es eigentlich geht.
Wobei der aktuelle Trend ja mehr darin besteht, Unternehmen zu gründen, um sie irgendwann gegen großes Geld weiter zu veräußern. Aber auch das ist ja ein „Purpose“, wenn man es genau nimmt: Gegründet, um für ein X-faches weiter veräußert zu werden. Entsprechend wird hier der Fokus auf ganz anderen Dingen liegen. Ob das Modell der Balance hier ebenso Anwendung finden könnte?