15. Mai 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Bricks, Bytes and Behavior

Bei der AXA hat man vor drei Jahren angefangen, sich mit dem Thema „New Work“ auseinander zu setzen, im Interview erklärt die „People Experience Vorständin“, welche positiven Auswirkungen das auf den Umgang mit der Corona-Krise hat („Selbst für Vorstände gibt es nur noch ein Spindfach“). Die wesentlichen Maßnahmen waren die Digitalisierung aller Geschäftsprozesse, das Einreißen von Wänden und Hierarchien – also Bytes, Bricks und Behavior.

Mit der Digitalisierung war die Voraussetzung geschaffen, dass 95% aller Mitarbeiter ins Homeoffice gehen konnten. So ganz hat man die Büros zwar nicht geschlossen, so dass diejenigen, die zu Hause nicht arbeiten konnten, die Wahl hatten. Wobei es die klassischen Büros nicht mehr gibt, sie wurden komplett beseitigt, heute hat auch der Vorstand nur noch ein Spindfach, ansonsten sucht er sich seinen Arbeitsplatz. Er trifft sich in der Sofalandschaft und tagt damit in der Öffentlichkeit, wo jeder zuhören kann (außer bei vertraulichen Themen, wofür es eigene Räume gibt).


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Noch einige Maßnahmen, die interessant klingen: Mit einem täglichen Newsletter bot man den Mitarbeitern die Möglichkeit, von ihrer aktuellen Lebenswirklichkeit zu berichten, z.B. von Erfahrungen im Homeoffice. Am Anfang der Pandemie erklärte eine Mathematikerin, was eine exponentielle Ausbreitung des Virus bedeutet. Es gab eine „Remote-Cooking-Session“ mit einem Mitarbeiter aus Thailand, der schon jahrelang im Unternehmen beschäftigt ist und dort mal seine weiteren Kompetenzen präsentieren konnte. Und man fragt regelmäßig die Stimmung ab, wobei schon zweimal 94% der Mitarbeiter die Rückmeldung gegeben haben, dass sie sich „super informiert“ fühlen.

Übrigens: Dass es klug ist, weiterhin Büroraum anzubieten und diesen nicht für völlig überflüssig zu erklären, geht auch aus einem Beitrag im Harvard Business Manager hervor. Dort hat ein Mediziner und Professor für Organisationsverhalten eine Liebeserklärung an das Büro verfasst und beschreibt, warum wir auch eine beufliche Heimat benötigen (Es lebe das Büro!)

Klingt doch bestens, oder? Eigentlich klingt es zu gut, um wahr zu sein. Denn das Thema „New Work“ spaltet die Unternehmen. An vielen Orten geschieht im Zuge der Digitalisierung das genaue Gegenteil. Statt weniger Kontrolle und dafür mehr Freiräumen geht es in die andere Richtung. Eine Umfrage unter 700 Wissensarbeitern ergab, dass 40% mehr Eigenverantwortung, 30% mehr Hierarchie erleben; 38% eine stärkere Vertrauenskultur, 30% den Ausbau von Anreiz- und Kontrollsystemen; 34% den Ausbau der Selbstorganisation, 38% mehr Regeln und Vorgaben (Arbeiten in zwei Welten). Eine Erklärung lautet: Etliche Unternehmen verstehen unter dem digitalen Wandel vor allem einen technologischen Wandel, der letztlich dazu führt, die Mitarbeiter wie Zitronen auszupressen.

Rückkehr der Optimierer

Es sieht fast so aus, als kehre das alte Maschinenmodell zurück in die Unternehmen. Obwohl längst bewiesen ist, dass die Beteiligung von Mitarbeitern an Entscheidungen, Empowerment und New Work zu optimierten Prozessen und herausragenden Ergebnissen führen, wecken die Möglichkeiten der Digitalisierung alte Fantasien zu neuem Leben (Mitarbeiter sind keine Maschinen). Es scheint sogar noch schlimmer zu kommen als zu Zeiten des alten Taylor. Unternehmen stellen erst gar keine Leute mehr ein, sondern beschäftigen sie nach dem Wasserhahn-Prinzip: Braucht man welche, werden sie beschäftigt, braucht man sie nicht, ist auch keine Bezahlung nötig. Der Hahn wird entsprechend auf- und zugedreht.

So wie die Fahrer bei Uber. Oder bei den Liefer- und Transportdiensten: Die Fahrer werden überwacht, die Routen exakt vorgegeben, jeder Stopp aufgezeichnet. Es soll schon Systeme geben, die aufzeichnen, wenn die Fahrer die Hände vom Lenkrad nehmen. Oder bei Lagerarbeitern von Amazon: Ihnen schreiben Algorithmen vor, wie viele Pakete sie in welcher Zeit zu finden und zu packen haben. Wer die Vorgabe nicht schafft, kann entsprechend sanktioniert werden.

In Büroräumen geschieht Ähnliches: Die Bewegung jedes Mitarbeiters wird aufgezeichnet, Gespräche in Konferenzräumen werden mitgeschnitten und die Gespräche analysiert. Das Gleiche geschieht im Homeoffice, schließlich haben Unternehmen „das Recht zu wissen, was die Mitarbeiter tun.

Wie wird das wohl weitergehen? Spaltet sich die (Unternehmens)Welt in diejenigen, die auf Kontrolle, Steuerung durch Algorithmen und den Einsatz von „Tagelöhnern“ setzen und diejenigen, die Menschen einstellen, ihnen Mitspracherechte und Entscheidungsbefugnisse einräumen und mit ihnen auf Augenhöhe umgehen? Werden die einen erfolgreicher sein als die anderen? Anzunehmen ist, dass die mit den engmaschigen Kontrollen immer weiter werden aufrüsten müssen, weil „Mitarbeiter“, die tatsächlich keine Maschinen sind, viel Energie darauf verwenden werden, die Systeme auszutricksen.

Ebenso ist anzunehmen, dass die partnerschaftlich orientierten Organisationen viel Energie einsetzen werden müssen, um fortlaufend im Dialog zu bleiben und sich immer wieder mühsam mit den mitdenkenden Menschen und all ihren Bedürfnissen und Eigenarten auseinandersetzen müssen.

Zumindest mal so viel: Es gibt verschiedene Arten von Unternehmenskulturen und wird sie wohl auch weiter geben: Die passiv-defensive (in der alle versuchen, Fehler zu vermeiden und Entscheidungen nach oben zu delegieren), die aggressiv-defensive (in der jeder versucht, sich gegen den anderen zu behaupten und alle gegeneinander ausgespielt werden) und die konstruktive Kultur, in der die Menschen als Teilhaber respektiert werden (Wann New Work funktioniert und wann nicht). Alle drei scheinen auch mehr oder weniger erfolgreich zu sein – gemessen am wirtschaftlichen Ergebnis. Bleibt die Frage, für welche sich die Menschen – Unternehmer als auch Mitarbeiter – in Zukunft entscheiden werden.

Bei der AXA scheint man sich entschieden zu haben, allemal der sympathischere Weg…

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