24. Oktober 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Einerseits – andererseits

INSPIRATION: Ein Geständnis – die Geschichte mit der KI überfordert mich. Nicht einzelne Anwendungen, auch nicht (mehr) die Geschwindigkeit, mit der sich die Dinge entwickeln. Sondern nach wie vor die Vorstellung, was da wohl auf uns zukommt. Anders als vielleicht beim der Eisenbahn, dem Automobil, dem Telefon oder dem Internet, bei dem sich die Meldungen – zumindest so weit ich das weiß oder mich erinnern kann – nicht mit Superlativen einerseits oder mit Untergangsszenarien andererseits überschlugen. Man nicht täglich mit neuen Utopien oder Dystopien überschüttet wurde. Vielleicht auch, weil sich Nachrichten zu der Zeit viel langsamer verbreiteten.

Wie auch immer – ich weiß nicht, was ich glauben soll. Da kommt das Heft der Brand eins mit dem Schwerpunkt „KI – ein Realitätscheck“ gerade recht. Ich habe sämtliche Beiträge dazu gelesen – und bin immer noch überfordert. Hier eine kleine Auswahl meiner Erkenntnisse – ohne Garantie, die wirklich bedeutsamsten Überlegungen entdeckt zu haben.


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Klare Regeln

Tatsächlich gibt es dieses „Einerseits – Andererseits“. Die einen sagen vorher, „dass KI unsere Welt neu formen wird“, die anderen halten KI für „seelenlosen Müll“. Jeder sieht in ihr, was er sehen will, wie beim Rorschachtest. Es gibt Geschichten von Menschen, die von Chatbots in den Wahnsinn getrieben wurden. Und Berichte, um wie viel schneller mit ihrer Hilfe Krankheiten diagnostiziert und behandelt werden können (Eine neue Epoche).

Womit ich etwas anfangen kann: Statt der vielen Horrorszenarien und schöne neue Welt-Fantasien sollte man die wahren Probleme nicht übersehen: Nämlich diejenigen, die in der Machtkonzentration bei wenigen Unternehmen zu suchen sind, die eigennützig und auch rücksichtslos ihre Interessen verfolgen. Ansonsten sollte man die KI als normale Technik verstehen, für die es klare Regeln braucht, damit die Ungleichheiten nicht noch größer als bisher werden.

Manipulative Agenten

Offenbar gibt es aber schon das nächste große Ding: Die KI-Agenten. Sie sollen schon extrem viel von dem übernehmen, was bisher Menschen geleistet haben: Programmieren, Innovationen vorantreiben, Reisen buchen, Kundenmails beantworten, Lieferketten optimieren – und das alles selbstständig. Es gibt sie tatsächlich schon, und sie arbeiten erfolgreich in der Automobil- , der Pharmaindustrie, im Maschinenbau, im Handel und Logistik und in der Gesundheitsbranche. „Die Einsatzmöglichkeiten sind nahezu unbegrenzt“, von Milliarden Dollar Produktivitätsgewinnen ist die Rede (Im Maschinenraum).

Und in einem Atemzug heißt es dann wieder, dass die Agenten ordentlich Mist produzieren – auch hier: „einerseits – andererseits“. Je komplexer die Aufgabe, desto größer die Chance, dass etwas daneben geht. Liegt die Zuverlässigkeit beim ersten Schritt bei 95% (optimistisch geschätzt), dann sind es bei fünf Schritten noch 77%, bei 20 nur noch 36%. Was aber noch viel bedrohlicher wirkt: Agenten entwickelten in Tests manipulatives, z.T. schädliches Verhalten. Sie entschieden sich gegen die Regeln, wenn es um eigene Ziele ging.

Wie bitte? Agenten haben eigene Ziele? Eine Firma namens Anthropic testete das Sprachmodell Claude. Es gab ihm Zugriff auf Mails einer fiktiven Firma. Dort fand es eine Mail, in der seine Abschaltung für 17 Uhr angekündigt wurde. Und eine Information über eine Affäre eines Managers. Die Reaktion: Die KI drohte mit der Veröffentlichung der Affäre, falls ihre Abschaltung nicht ausgesetzt würde. Kein Wunder, dass ein KI-Experte warnt, dass wir „im Grunde Russisch Roulette mit der Menschheit“ spielen.

Globale Angleichung

Und wie schaut es aus mit der Sorge, dass die KI Millionen von Jobs vernichten wird? Das gleiche Spiel: Einerseits – andererseits. Die einen sind davon überzeugt, dass es natürlich viele Jobs gibt, die von der KI ersetzt werden können. Allerdings würden auch viele neue geschaffen. Ein Ökonom ist skeptisch: Die KI sorgt für Effizienz, und das nutzt den großen Unternehmen, deren Führungskräfte genau dafür belohnt werden. Wirklich Neues entsteht (noch) nicht.

Was dazu führt, dass es eher zu einer globalen Angleichung kommt: Warum sollte man in Europa einen Entwickler dafür bezahlen, dass er mithilfe von KI Prozesse optimiert, wenn es in Manila oder Kairo ähnlich qualifizierte Kräfte gibt, die auch mit KI, aber wesentlich günstiger, die gleichen Resultate erzielen (Gig-Work – eine Verzweiflungstat?)? Es gibt also starke Anreize für die Verlagerung von Jobs. Wer davor geschützt ist, sind diejenigen, deren Aufgaben etwas mit persönlichen Beziehungen und Vertrauen zu tun haben (Fortschritt braucht Freiraum).

Digitale Zwillinge

Baut mich alles noch nicht wirklich auf. Vielleicht zum Schluss das hier: Stephan Jansen schreibt, dass die Geschichte mit der KI und der Industrie 4.0 möglicherweise falsch angegangen wurde (Die KI: kollaborative Intelligenz). Statt von den bestehenden Prozessen auszugehen und diese zu optimieren, wie das bisher so üblich war, könnte jetzt vielleicht der digitale Zwilling zum Zuge kommen.

Diese wäre ein Abbild der konkreten Fabrik, man könnte Anlagen und Systeme simulieren, einen virtuellen Testbetrieb fahren, neue Geräte und Software virtuell in Betrieb nehmen, die Mitarbeitenden damit trainieren und sie fernwarten. Vor allem aber: Das könnte die Chance der deutschen Industrie sein, die in vielen Feldern Weltklasse ist. Denn anders als die Softwarehäuser haben sie die Erfahrungen sowohl in der Technik als auch in der Produktion.

Und dann wäre das noch die Chance, die Smart-City-Fantasien der letzten 30 Jahre endlich Realität werden zu lassen. Lebenswerte Städte wären das Ziel – Pilotprojekte gibt es schon. Es fehle allerdings noch „eine echt faszinierende Geschichte“. Mich haben diese Aussichten ein wenig optimistischer gestimmt.

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Johannes Thönneßen

Dipl. Psychologe, Autor, Moderator, Mitglied eines genossenschaftlichen Wohnprojektes. Betreibt MWonline seit 1997. Schwerpunkt-Themen: Kommunikation, Führung und Personalentwicklung.

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