INSPIRATION: Haben Sie ein Vorbild? Oder sogar mehrere? Vorweg: Ich stehe der Idee eines Vorbildes sehr skeptisch gegenüber. Warum? Dazu später mehr, erst einmal zum Anlass dieses Beitrags. In der Wirtschaftswoche gibt es eine kleine Serie namens „Summerschool“, in der verschiedene Theorien vorgestellt werden. Unter anderem der „Raikov-Effekt“. Die Rede ist von einem russischen Psychotherapeuten namens Vladimir Raikov, der seine Probanden unter Hypnose Aufgaben lösen ließ. Dabei sollten sie sich vorstellen, sie seien eine berühmte Persönlichkeit. Tatsächlich sollen einige von ihnen deutlich bessere kreative Fähigkeiten gezeigt haben (Genial, nur für einen Moment). Er nannte seine Methode „Geborgtes Genie“.
Nun konnte dieser Effekt bisher nicht reproduziert werden, so dass man die Idee getrost zu den Akten legen könnte. Doch hier zitierte Manager und Coachs erklären, dass es durchaus hilft, sich zu überlegen, was erfolgreiche Menschen auszeichnet und sich dann an diesen zu orientieren. Oder besser: Um sich selbst auf die Spur zu kommen. Soll heißen: Wenn ich feststelle, ein bestimmtes Verhalten meines Vorbildes fasziniert mich, dann kann ich mich daran orientieren, ich kann mich selbst ausprobieren und so meine Aufgaben besser bewältigen.
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Vertraute Vorbilder
Dazu brauche ich nicht unbedingt irgendeinen Prominenten, kein Genie oder einen Steve Jobs. Es kann auch jemand aus meinem nahen Umfeld sein. So wie manche ihren Vater oder ihre Großmutter nennen, wenn sie nach Vorbildern gefragt werden.
Aber was bedeutet dieses „sich zum Vorbild nehmen“? Hier kommt meine Skepsis ins Spiel. Natürlich gibt es so etwas wie „Lernen am Modell“, natürlich schauen sich Menschen bei anderen das ab, was sie beeindruckt. Man muss nicht alles erst selbst herausfinden, um es anzuwenden. Und man muss auch niemanden in Hypnose versetzen, um zu zeigen, dass es hilfreich sein kann, von anderen zu lernen. Mein Problem beginnt, wenn ich jemanden als ein Vorbild verstehe in allem, was ich tue. Wenn ich so sein will wie sie oder er. Dabei erfolgt auf jeden Fall irgendwann die Bruchlandung, das böse Erwachen. Spätestens dann, wenn irgendwelche Informationen bekannt werden, dass das ach so bewunderte Vorbild längst nicht so wunderbar ist oder war, wie man glaubte.
Es spricht aber gar nichts dagegen, sich in bestimmten Situationen zu überlegen: „Was hätte jetzt meine Großmutter unternommen?“ Tatsächlich hilft es mitunter sehr in Momenten, in denen wir uns ratlos fühlen. Es hilft sogar, wenn wir uns in solchen Momenten aktiv entscheiden, es eben genau NICHT so zu machen wie unser Vorbild. In diesem Augenblick gewinne ich wieder die Kontrolle über eine schwierige Situation, ich bin in der Lage zu handeln. Und in der Tat, da hilft der Vater, der Freund oder die Großmutter wesentlich eher als ein Steve Jobs. Denn ihr „Rat“ ist uns deutlich näher, ihre Beispiele deutlich vertrauter. Wohl dem, der für unterschiedliche Herausforderungen solche „Vorbilder“ hat.