INSPIRATION: Die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Unternehmen (vertreten durch die Personaler) gestaltet sich nicht immer einfach. Vor allem dann, wenn massive Veränderungen anstehen und die Vertreter der Arbeitnehmer aus gutem Grund fürchten müssen, dass es zu Personalabbau und Streichungen von hart erkämpften Zugeständnissen kommt. Da stecken die Betriebsräte oft in einem Dilemma: Sie wollen und sollen für den Erhalt der Arbeitsplätze kämpfen. Sie müssen sich aber immer mit der drohenden Konsequenz auseinandersetzen, dass ohne erhebliche Sparmaßnahmen noch viel mehr Arbeitsplätze betroffen sein könnten.
Heute ist bei Entscheidungen, die erhebliche Veränderungen für die Belegschaft bedeuten, ja schnell von „Transformation“ die Rede. Ein großer Konzern (Continental) hat schon viel in seiner Geschichte erlebt und stellt fest, dass sich das Unternehmen „seit der Gründung 1871 in einem immerwährenden Transformationsprozess“ befindet (Aktiv gestalten statt laufen lassen). Als Auslöser werden hier eine Reihe von Zukäufen vor allem seit 1998 beschrieben. Die Erfahrungen sollen laut Vice-President HR und Konzernbetriebsratsvorsitzenden überwiegend positiv gewesen sein, aber „eben nicht nur“. Kann man sich denken.
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Aktiv gestalten
Da ist zum Beispiel vom stetigen Kostendruck die Rede und von „Hochkostenländern“ – womit deutlich wird, welches Damoklesschwert ständig über allem schwebt. Und nun auch noch der Wechsel vom Verbrennermotor zur Elektromobilität. Da war allen Beteiligten klar, dass man noch einmal ganz anders gefordert sein würde. Und beschloss, die Veränderungen gemeinsam aktiv zu gestalten und „vor die Welle“ zu kommen. Wie sieht das nun aus? Praktisch folgten hieraus zwei Maßnahmen:
- Es wurde ein internes Weiterbildungsinstitut gegründet (Continental Institut für Technologie und Transformation), in dem die Mitarbeitenden fit gemacht werden für die neuen Technologien. In einer umfangreichen Betriebsvereinbarung wurde jedem Beschäftigten ein Anspruch auf Qualifizierung eingeräumt. Dazu wird mit ihm jährlich ein Qualifizierungsgespräch geführt. Aber er hat auch ein Initiativrecht, d.h. er kann selbst Vorschläge zur eigenen Weiterbildung machen. Finde ich jetzt nicht so revolutionär, aber vielleicht war das vorher dort nicht so.
Interessanter ist da schon die Einrichtung der „Quali-Guides“: Kollegen, die in dem genannten Institut dafür ausgebildet werden, andere in Sachen Qualifizierung zu beraten. Es heißt ja immer, Personalentwicklung sei Führungsaufgabe, aber das ist ja auch eine Erkenntnis: Die Aufgabe lässt sich durchaus aufteilen. 150 solche „Quali-Guides“ gibt es, und seit 2019 haben 1.800 Mitarbeitende ein IHK-Zertifikat erhalten und 170 einen IHK-Abschluss erreicht. - Es wurde ein interner Arbeitsmarkt geschaffen. Schön formuliert: Wenn es in einzelnen Bereichen Personalüberhänge gibt, möchte man Kompetenzen im Konzern halten. Also können die Beschäftigen in Bereiche wechseln, wo es gut läuft. Da klappt ganz gut in Gegenden, wo Continental viele Standorte hat. Wird aber schwierig, wenn jemand in ein weiter entferntes Werk wechseln soll.
Probe aufs Exempel
Und dann kam auch noch Corona, nachlassende Nachfrage, Kurzarbeit – kurz: Krisenmanagement war angesagt. Was zur Schließung eines Reifenwerkes bei Aachen führte. Da war die Sozialpartnerschaft auf eine harte Probe gestellt, mit den bekannten Auseinandersetzungen.
Irgendwie aber raufte man sich wieder zusammen, und den nächsten Punkt finde ich beeindruckend: „Eine Art Neukalibrierung unserer Sozialpartnerschaft.“ Praktisch bedeutete das, man entwickelte in einem Workshop ein Zielbild, in dem es um eine „zukunftsorientierte Mitbestimmung“ ging. In Folgeworkshops wurde eine Roadmap entwickelt, bei der es um Zukunft und Weiterentwicklung der einzelnen Standorte geht. Wenn ich das richtig verstehe, will man auf diese Weise die lokalen Beschäftigten stärker in die Strategieprozesse einbinden, die sonst eher zentral erarbeitet werden. Ein guter Ansatz – ob er zukünftige Krisen überlebt? Man wird sehen.