INSPIRATION: Die Genossenschaft ist keine neue Gesellschaftsform, allerdings scheint sie in jüngster Zeit neue Anhänger zu gewinnen. Erstaunlich genug: Gerade die IT-Branche entdeckt das Modell und könnte damit Vorreiter werden.
Das Software-Haus Iteratec gehört bis heute den beiden Gründern und hat 300 Mitarbeiter. Auf der Suche nach ihren Nachfolgern konnten sich die Inhaber nicht mit dem Gedanken an einen Verkauf anfreunden, stattdessen beschreiten sie einen ungewöhnlichen Weg. Sie übertragen zunächst 49% an eine Genossenschaft, die von den Mitarbeitern gehalten wird, ein paar Jahre später soll der Rest dazukommen. Bei der Verkündung der Idee soll es Standing Ovations gegeben haben.
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Ich mag das Modell – aus vielen Gründen. Einige Aussagen der Gründer in dem Handelsblatt-Beitrag (Die Chefs gehen, die Genossen kommen) sprechen Bände: „Wir sind nicht zahlengetrieben… Das Ergebnis eines Jahres sei eher unerheblich.“ Stattdessen möchte man „eine Umgebung von Exzellenz schaffen.“ Noch so ein Satz, der aufhorchen lässt: „Man sollte es ja gar nicht laut sagen, aber bei uns sind die Mitarbeiter noch wichtiger als die Kunden.„
Darüber lohnt es sich doch mal nachzudenken, oder? Der Satz, der Kunde stehe an Nr. 1, in vielen Unternehmen unwidersprochen, dient leider oft dazu, jedes noch so kranke Führungsverhalten zu rechtfertigen. Wenn man aber mal richtig nachdenkt, sieht die Sache doch so aus: Jemand hat eine Idee und gründet ein Unternehmen. Ohne Kunden ist er natürlich verloren, aber ohne ihn selbst gäbe es gar kein Unternehmen. Wenn er dann die Arbeit nicht mehr allein bewältigen kann, braucht er Mitarbeiter – und diese stellen das Unternehmen dar. Keine Mitarbeiter, kein Produkt, keine Kunden.
Das Genossenschaftsmodell sieht vor, dass sich jedes Mitglied mit einer Einlage am Unternehmen beteiligt, wobei jeder eine Stimme hat – unabhängig von der Höhe der Einlage. Wieder etwas, das mir ungemein sympathisch ist. Hätten die beiden Inhaber das Unternehmen an die Führungskräfte verkauft (Management-Buyout), hätten diese sich verschulden müssen. Beim Verkauf an Externe wäre die Kultur in Gefahr gewesen.
Verschenkt haben die Gründer ihr Unternehmen nicht, aber sehr günstig abgegeben – nämlich zur Hälfte des berechneten Wertes. Und gaben das Geld gleich wieder als Darlehen ans Unternehmen. Dann noch so ein Satz, der bemerkenswert ist: „Kein Modell, um reich zu werden. Doch wir haben uns gefragt: Wie wichtig ist uns Geld? Wir nagen ja nicht am Hungertuch.„
Da möchte man sich doch glatt bewerben – schade, dass ich kein ITler und zu alt bin. Apropos bewerben: Beim Kampf um die begehrten Fachkräfte dürfte das Modell sicher auch so manchen Vorteil bringen.