22. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Helix-Modell

INSPIRATION: Bitter, wenn man als interner IT-Dienstleister so viel langsamer ist als die externe Konkurrenz. Bei der Telekom brauchten die Experten bis zu 18 Monate, um eine neue Software an den Start zu bringen, woanders geht das in zwei bis vier Monaten. Also entschloss man sich zu einer radikalen Änderung. Nun arbeiten alle agil und die Mitarbeiter wählen ihre Chefs selbst. Das soll helfen?

Offensichtlich. Der Chief Human Resources Officer erzählt die Erfolgsgeschichte in der changement! (Radikal anders: Aufbruch in die Agilität). Der grundlegende Gedanke war: Man trennt fachliche Führung von disziplinarischer Führung (deshalb Helix). Haben wir doch kürzlich erst im Harvard Business Manager von einem australischen Telekommunikationsunternehmen gelesen (Führungskrise). Es gibt jetzt die sogenannten Hubs, die sich um die fachlichen Aufgaben und das Tagesgeschäft kümmern. Hier sind die Mitarbeiter fachlich angesiedelt, und das kann je nach Aufgabe wechseln. Und dann gibt es die Chapter, in denen sie organisatorisch aufgehängt sind. Soll heißen: Hier sind sie einer Führungskraft disziplinarisch unterstellt.


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Hubs & Chapter

Für die Aufgaben in den Hubs können sich die Mitarbeiter eigenständig bewerben, die Chapter fassen jeweils 25 Menschen einer Profession zusammen. Hier erfolgt die Personal- und Karriereentwicklung – und dafür braucht es nun mal Führungskräfte. Für diese „People Lead“-Funktion kann man sich bewerben. All das hat man erst mal in einem Pilotprojekt getestet, und nachdem dies gut klappte, wurde es ernst. 9.500 Mitarbeiter wählten ihre direkten Vorgesetzten selbst, insgesamt 450. Dafür gab es natürlich eine Voting-App und das Verfahren wurde ausführlich vorab im Intranet und per Video erläutert. 

Wurde ein Kandidat nicht gewählt, konnte er sich für ein anderes Chapter bewerben oder für eine Fachlaufbahn bzw. für eine Führungsrolle in den Hubs entscheiden. Allerdings gab es im Vorfeld noch eine entscheidende Hürde: Wer People Lead werden wollte, musste ein Assessment Center erfolgreich abschließen – so ganz wollte man den Mitarbeitern wohl doch nicht vertrauen. Der Aufwand muss enorm gewesen sein, denn für 450 Führungspositionen dürfte es eine Menge Kandidaten gegeben haben.

Die Rolle der People Lead wurde auch definiert: Sie sollen „Servant Leader“ sein, den Mitarbeiter dienen. Außerdem sind sie People Coaches und Change Agents. Nur eben fachlich können sie ihren Mitarbeiter nichts mehr vorschreiben.

Akzeptanz

Nach drei Monaten gab es die erste Umfrage. Hier fand das Modell offenbar große Zustimmung, im Original: „Die Zustimmung lag teilweise bei deutlich über 70%.“ Was aber sicherlich das Management hoch erfreut: Die Lieferzeit von Software sank von 18 auf 3 Monate, und die Qualität wurde um 50% gesteigert. Ob das eher am agilen Arbeiten liegt, den fachlichen Führungskräften oder den gewählten, lasse man mal dahin gestellt.

95% der Mitarbeiter sind heute agil tätig. Interessantes Detail: 60% der People Leads hatten vorher keine Führungserfahrung. Die Ergebnisse in Qualität und Schnelligkeit lassen das Vorgehen natürlich gerechtfertigt erscheinen. Dass Menschen in Organisationen neben ihren fachlichen Koordinatoren nach wie vor so etwas wie Vorgesetzte benötigen, stößt mir immer wieder seltsam auf. Daran ändert sich auch nichts, wenn sie diese selbst wählen können.

Einige Fragen bleiben

Wobei sich mir einige Fragen aufdrängen: Konnten die Chapter selbst Kandidaten vorschlagen, die sie gerne hätten? Oder mussten sie unter jenen auswählen, die sich für die jeweilige Stelle beworben hatten? Es klingt, als sei letzteres der Fall. Warum? 

Für wie lange bleibt jemand in der Position? Finden irgendwann Neuwahlen statt oder nur dann, wenn jemand ausscheidet? Können People Leads auch abgewählt werden? 

Die Wahl erfolgte nach einer Vorstellungs- und Diskussionsrunde der Chapter mit den Kandidaten – inwiefern fand hier eine Art „Wahlkampf“ statt? Schließlich mussten sich die Bewerber ja irgendwie gut präsentieren, um gewählt zu werden. Überhaupt: Wenn man bisher Karriere machte, weil man sich gegenüber der Führungsebene gut verkauft hat – wie funktioniert das in Zukunft? Ich bin gespannt, ob man hierüber nach einem größeren Zeitraum als drei Monaten noch einmal etwas über langfristige (Neben-)Wirkungen erfährt.

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