22. Oktober 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Henne oder Ei?

KRITIK: Wenn es um Change-Management oder Organisationsentwicklung geht, streiten sich die Praktiker: Soll man eher an den Strukturen ansetzen? Oder an der Kultur? Die Wissenschaft liefert nun eine überraschende Antwort.

Die Arbeitsgruppe rund um das New-Work-Barometer (New Work konsolidiert sich – doch) hat nun die aktuellen Umfragedaten noch mal gegen den Strich gebürstet. Und dabei Erstaunliches entdeckt (Zahlen zum Haltungsstreit). Während die Betriebswirte (sowieso), aber auch die Soziologen (Du sollst nicht an der Unternehmenskultur schrauben!), eher für Veränderungen von Organisationsstrukturen plädieren, kommt die Gegenrede von den Organisationspsychologen: Wirkliche Veränderungen schaffe man nur über kulturellen Wandel.


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Kultur schlägt Struktur?

Die jeweiligen Begründungen leuchten unmittelbar ein: Die Kultur folgt der Struktur, sagen die Soziologen. Ändere beispielsweise die Regelkommunikation (Ab sofort: Jour fixe am Freitagnachmittag um Drei!) und es entsteht eine neue Besprechungskultur. Die Kultur verändert Strukturen, sagen die Psychologen. Verändere die Werte (Empowerment ist angesagt!), nehmen sich die Mitarbeitenden die Freiheit und verändern Strukturen.

Tja, wer hat nun recht? Die Autoren erweitern das Dilemma noch um eine dritte Position: Struktur (z.B.: Regeln, Budgetverantwortung, Prozesse, Hierarchien), Mensch (z.B.: Coaching, Training, Personalauswahl) und Kultur (Entwicklung der Kultur der Organisation). Ob das hilfreich ist? Dazu später. Zunächst zu den Forschungsfragen der Autoren:

  • Wie verbreitet sind verschiedene Organisationsentwicklungshaltungen im deutschsprachigen Raum?
  • Wie stark sind diese mit dem wahrgenommenen Organisations- und Innovationserfolg korreliert?

Die Befragung

Dem New-Work-Barometer wurden schlicht zwei weitere Fragenkomplexe hinzugefügt, die die über 600 Teilnehmenden ebenfalls beantworteten. Die Innovationsleistung der Organisationen wurde für die fünf Bereiche Produkte und Dienstleistungen für Kunden, Produktionsmethoden und -verfahren, Managementpraktiken, Marketingpraktiken und Geschäftsmodelle untersucht. Die Organisationsleistung wurde für die Bereiche Qualität der Produkte und Dienstleistungen, Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, Mitarbeitendengewinnung, -bindung, Kunden- und Klientenzufriedenheit, Beziehung zwischen dem Management und Mitarbeitenden sowie die Beziehung zwischen Mitarbeitenden im Allgemeinen bewertet.

Was sind die Ergebnisse? Die Mittelwerte zeigen, dass in den Unternehmen der Fokus eindeutig auf der Struktur liegt (Mittelwert: 4,84 auf einer 7er-Skala); gefolgt von Kultur (M: 4,36) und Mensch (M: 4,31). Zu erwähnen ist eine nicht unerhebliche Streuung um diese Mittelwerte und deren statistische Bewertung: „Die Unterschiede von Mensch und Kultur gegenüber Struktur sind signifikant und damit statistisch bedeutsam und inhaltlich interpretierbar.“

Korrelationen, nicht Kausalitäten

Um das nun besser interpretieren zu können, wurde die Stichprobe in die drei Branchen separiert: Privatwirtschaft, Beratung und öffentliche Verwaltung. Allerdings brachte das wenig neue Erkenntnis. Daher wandten sich die Forscher der Frage nach den Korrelationen der Haltungen (Struktur, Mensch, Kultur) mit Organisations- und Innovationsleistung zu:

  • „Die Daten des Barometers 2024 sprechen eine erstaunlich klare Sprache. Es bestehen starke und signifikante Zusammenhänge zwischen dem Schwerpunkt Mensch und der Organisations- und Innovationsleistung (r = 0,57 und r = 0,50).“
  • „Ebenso starke Zusammenhänge bestehen zwischen dem Schwerpunkt Kultur und der Organisations- und Innovationsleistung (r = 0,54 und r = 0,52).“

Keine signifikanten Korrelationen ergaben sich zwischen dem Schwerpunkt „Struktur“ und den Leistungsindikatoren. Zur Sicherheit wurden noch weitere Berechnungen angestellt. Das Fazit: „Die Haltung Mensch und Kultur hängen mit mehr Organisations- und Innovationsleistung zusammen.“

Skepsis

Dass die New-Work-Forscher diese Ergebnisse freuen, kann man sich leicht vorstellen: Schermuly predigt schon lange Empowerment (Mit Empowerment zu New Work). Dagegen ist nichts zu sagen. Die Autoren selbst nennen auch etliche Vorbehalte und Limitationen der Studie. Doch so gerne ich im Ergebnis zustimmen mag, machen mir einige Punkte doch Kopfzerbrechen:

  • Struktur, Mensch und Kultur erscheinen mir keine trennscharfen Aspekte zu sein. Wer bringt denn die Kultur zum Ausdruck? Menschen natürlich, deren Verhalten, Werte und Basic Assumptions. Und siehe da, die Studie der Forscher selbst findet hohe (!) Interkorrelationen zwischen „Mensch“ und „Kultur“ (r = 0,66).
  • Struktur und Mensch/Kultur: Ist das nicht ein dialektisches Verhältnis? Autos kaufen keine Autos. Und Menschen agieren nicht im luftleeren Raum.
  • Dann müsste man sich die Messinstrumente für Organisations- und Innovationserfolg mal genauer anschauen, mit denen hier operiert wurde.
  • Auch die Unterscheidung der drei Branchen erscheint mir arg holzschnittartig – wie auch die Ergebnisse dazu (habe ich hier übersprungen).

Also: Die Ergebnisse sind nett und erfreulich – keine Frage. Doch hier muss hinter den üblichen letzten Satz solcher Studien meines Erachtens ein dickes Ausrufezeichen gesetzt werden: Es braucht mehr und weiterführende Untersuchung zum Thema! Wiewohl bei solchen Querschnittsuntersuchungen sowieso die Wirkrichtung offenbleibt: Führt Humanzentrierung zu höherer Leistung und Innovation? Oder ist es umgekehrt? Oder …

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