INSPIRATION: Das klingt jetzt schon ein wenig seltsam: In Japan erlauben Unternehmen ihren Mitarbeitenden immer häufiger, einen Nebenjob anzutreten. Mehr noch: Sie wurden praktisch von der Politik dazu „gezwungen“. Die nämlich genehmigte Zweitjobs ausdrücklich – was vorher wohl gar nicht gestattet war. Und verlangt, dass Unternehmen die Bedingungen für die Aufnahme einer Nebentätigkeit veröffentlichen (Karriere am Kakibaum)
Was steckt dahinter? Mehrere Gründe. Zum einen soll der Arbeitsmarkt durchlässiger werden. Gerade in Japan war und ist es wohl immer noch üblich, dass Menschen ihr Leben lang einem Arbeitgeber treu bleiben. Was in Zeiten des Wandels ein Problem darstellt, denn sie sind kaum woanders einsetzbar, wenn sich mit dem Technologiewandel die Anforderungen drastisch verändern. Wer in einem Nebenjob neue Kompetenzen erwirbt, hat somit mehr Chancen, auch in anderen Branchen unterzukommen, wenn sich die Lage ändert. Oder sich selbstständig zu machen. So beugt man längerer Arbeitslosigkeit vor.
Aber auch der Fachkräftemangel ist ein Anlass. Wer seine fachlichen Fähigkeiten zeitweise auch anderen Arbeitgebern zur Verfügung stellt, lindert diesen Mangel zum Beispiel in Regionen, wo man händeringend Leute sucht, die zum Beispiel im Homeoffice gute Dienste leisten können.
Die Mischung macht’s
Angeblich findet die „neue Freiheit“ großen Anklang. Die Menschen arbeiten nebenher „als Dozenten, Ingenieure und Musiklehrer“, aber auch für Tochterfirmen des eigenen Arbeitgebers. Hunderte sollen es bei Panasonic sein, 2022 waren es in ganz Japan drei Millionen, fünf Millionen suchen nach Nebenjobs.
Die Arbeitgeber sind angeblich zufrieden, denn die zusätzliche Tätigkeit wirkt sich nach ihren Erfahrungen positiv auf die Haupttätigkeit aus. Nicht nur, dass die Mitarbeitenden neue Kompetenzen erwerben und diese auch im Hauptjob einsetzen, sie seien auch motivierter bei der Sache.
Allerdings gibt es wohl auch die Sorge, dass der eigentliche Job doch zu kurz kommt, entsprechend gibt es Auflagen. Die Stunden sind begrenzt (z.B. auf 60 Stunden im Monat, maximal 3 Stunden am Tag), Tätigkeit für Wettbewerber werden ausgeschlossen. Manche gestatten wohl nur Tätigkeiten, die einen Bezug zur Hauptaufgabe haben. Und interessant: In einem Unternehmen gibt es wohl auch die Auflage, dass man keinen Job aus finanziellen Gründen annehmen darf.
Praktikabel?
Das klingt kompliziert, und der Leser fragt sich schon, wie das in der Praxis aussehen kann. Denn wie auch hierzulande haben viele Menschen offenbar eher zu wenig Zeit und bekommen das mit der „Work-Life-Balance“ nur schwer hin. Dann noch drei Stunden zusätzlich arbeiten? Und wie verträgt sich das mit der Forderung nach kürzeren Arbeitszeiten?
Dass Mitarbeiter einer Stadtverwaltung den Landwirten bei der Kaki-Ernte helfen, ist vielleicht sogar übertragbar auf hiesige Verhältnisse: Schauen, wo Hilfe gesucht wird, und dann mit den eigenen Mitarbeitenden überlegen, wer Lust hat, befristet solche Jobs auszuführen. Erntehelfer werden vermutlich auch bei uns immer wieder gesucht, und schaden könnte es vermutlich auch nicht, wenn Menschen mal ganz andere Tätigkeiten kennen lernen …