INSPIRATION: Sie sind Führungskraft und haben immer wieder den Eindruck, dass Ihr Tag viel zu wenige Stunden hat? Und wenn Sie sich dann Ihre Aufgaben genauer anschauen, feststellen, dass Sie diese auch nicht delegieren können? Dann hilft Ihnen vielleicht der folgende Ansatz. Den erläutert der Management-Vordenker Roger Martin im Harvard Business Manager (Das Oktopus-Prinzip) mit etlichen Beispielen auch aus seinem eigenen Umfeld als ehemaliger Dekan der Rotman School of Management belegt. Oktopus-Prinzip deshalb, weil die schlauen Tiere für ungewohnte Aufgaben immer den Arm benutzen, der besonders sensibel ist.
Der Ansatz ist eigentlich sehr schlicht: Konzentrieren Sie sich auf die Dinge, die Sie besonders gut können; auf jeden Fall besser als jeder andere in Ihrem Zuständigkeitsbereich. Der Ansatz des komparativen Vorteils wird hier geborgt von einer uralten Außenhandelstheorie nach David Ricardo. Danach sollten Staaten die Dinge in andere Länder exportieren, bei deren Produktion sie eben diesen Vorteil haben. So exportiert Portugal Wein nach England, weil es den Vorteil der vielen Sonne hat. Aber nicht nach Italien, wo ähnliche Bedingungen herrschen.
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Banal? Klar, aber in Sachen Delegation nicht so einfach umzusetzen. Weil Manager meist die Dinge delegieren, die sie für weniger wichtig halten. Und weil ganz viele Sachen wichtig sind, haben sie zu viel am Hals und wissen nicht, wie sie all das schaffen können.
4 schlichte Schritte zur Nutzung des komparativen Vorteils
- Schauen Sie sich Ihre Aufgaben an und prüfen dann, ob es nicht jemanden (oder vielleicht auch ein Team) in Ihrem Umfeld gibt, der sie genauso gut oder sogar besser beherrscht. Beim Autor war dies z.B. das Führen von Einstellungsgesprächen. Um das einem erfahrenen Kollegen zu übertragen, musste er erst den Boss davon überzeugen, aber es gelang ihm. Der Chef von Lego verabschiedete sich von der Leitung wichtiger Meetings, für die es hochkompetente andere Führungskräfte gab.
- Dann schauen Sie sich noch diejenigen Aufgaben an, die sie zwar besser als andere beherrschen, bei denen aber der Unterschied nicht so groß ist. Da wird sich der eine oder andere wundern. Und sich fragen, warum sie diese wichtige Aufgabe nicht mehr selbst übernehmen. Sich aber gleichzeitig freuen, dass er nun zuständig ist, was die Motivation stärkt und zu besonderen Anstrengungen führt. Eventuell müssen Sie dafür auch jemanden einstellen, so wie der Lego-Chef einen externen CIO verpflichtete.
- Dann schauen Sie sich an, womit Sie die frei geschaufelte Zeit sinnvoll füllen können. Eben mit jenen Aufgaben, bei denen Sie gegenüber allen anderen im Vorteil sind. Bei einer Business School z.B. ist es Chefsache, zahlungskräftige Sponsoren z.B. unter den Alumni zu finden und ihnen Geld zu entlocken. Wohl dem, der hier seine Stärken hat. Da kann es sein, dass Sie das bisherige Vorgehen ändern müssen. An dem Beispiel: Statt sich mit potenziellen Sponsoren zum Essen zu verabreden, setzte Martin darauf, erst einmal den Ruf der Schule zu verbessern. Indem er Artikel und Bücher schrieb sowie viele Vorträge hielt – als begnadeter Autor und Redner sein besonderer Vorteil.
Der zweite Autor, Alan Lefley, kannte sich hervorragend in Sachen Kundenorientierung aus und stürzte sich bei Procter & Gamble als CEO auf dieses Thema.
Das Resultat kann sein, dass Sie Dinge tun, worüber sich andere wundern. Z.B. selbst Werbetexte schreiben wie die Chefin von FIGS. Oder einen Kurs zum Thema Führung und Strategie selbst zu entwickeln wie Lefley bei P&G. - Schließlich gibt es noch die Aufgaben, die tatsächlich nur Sie als Führungskraft übernehmen können. Hier gilt es, dafür die notwendige Zeit einzuräumen. Die Beispiele in dem Beitrag überzeugen mich allerdings nicht, sie fallen eher in Schritt 3. Aber vielleicht das hier: Martin traf sich regelmäßig mit einzelnen Professoren, um ihren Anteil an der Entwicklung der Hochschule zu besprechen. Würde man als Mitarbeitergespräch bezeichnen – was vermutlich wirklich nicht zu delegieren ist, ohne unglaubwürdig zu wirken. Was aber, wenn genau das keine Stärke eines Top-Managers ist? Tja, dann ist er wohl auf dem falschen Posten.
Womit die Frage bleibt, warum manche Menschen überhaupt als Führungskraft tätig sind. Und ob man nicht lieber im Vorfeld überlegt, wo JEDER einzelne seinen „komparativen Vorteil“ hat. Wenn dieser zur Management-Position passt, ist alles gut. Wenn nicht, dann sollte man sich wohl nach jemand anderem umschauen. Dumm nur, dass viele das erst feststellen, wenn sie die Position bereits innehaben.