17. Oktober 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Meine Suppe ess‘ ich nicht

INSPIRATION: Oft wird pauschal mit dem sogenannten NIMBY-Phänomen argumentiert, wenn es lokal zu Protesten gegen Energieprojekte geht: Not In My Backyard. Doch das stimmt so einfach gar nicht. Die Zeitschrift Wirtschaftspsychologie hat sich in der aktuellen Ausgabe einmal ein makroökonomisches Thema vorgeknöpft: Die Psychologie der Energiewende. Das ist nicht nur für Verbraucher, sondern auch für Unternehmen hoch relevant. Ist doch Nachhaltigkeit ein prioritäres Thema; und daher Corporate Social Responsibility eine wichtige, unternehmerische Aufgabe.

Eine repräsentative Befragung zur Akzeptanz von verschiedenen Formen der Energieerzeugung, die Rebekka Weis, Bernd Eisenstein und Frank Schiller (Zur Wahrnehmung unterschiedlicher Energieformen und ihrer Anlagen) vorlegen, offenbart, dass erneuerbare Energieformen (Solar- und Windenergie, Wasserkraft, Erdwärme und Wasserstoff) im Vergleich zu fossilen Energieträgern (Kohle, Erdgas, Erdöl) und der Atomenergie von der Bevölkerung deutlich positiver bewertet werden als es oftmals den Eindruck hat.


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Eine wichtige Erkenntnis der Studie: Es besteht noch eine erhöhte Unwissenheit in der Bevölkerung über die Energieformen Erdwärme, Wasserstoff und Biomasse. Das erklärt mir unter anderem den Widerstand gegenüber diesen Formen. Die Politik hat die Menschen nicht abgeholt, sondern überrumpelt. Und das verzeiht man – denen da oben – nicht so schnell.

Die Menschen sind weiter als gedacht

Die Ergebnisse einer Befragung eines weiteren Autorenteams (Die Wärmewende gemeinsam gestalten) zeigen, „dass viele Teilnehmende auf erneuerbare Energien umsteigen möchten, aber nicht wissen wie – oder nicht glauben, dass dies für sie möglich ist.“ Die Autoren diagnostizieren eine kognitive Überlastung. Oder sagen wir es einfacher: eine Überforderung.

Interessant finde ich auch, dass die Befragungsergebnisse des ersten Autorenteams insgesamt ein deutlich geringes Störungspotenzial (Stichwort: Ästhetik) der Anlagetypen der erneuerbaren Energien zeigen. Die Solaranlage auf dem Dach, aber auch die Wärmepumpe oder die Kleinwindanlage, stören die Bevölkerung kaum – im Gegensatz zum Anblick eines Atomreaktors.

Oft wird pauschal mit dem sogenannten NIMBY-Phänomen argumentiert, wenn es zur lokalen Opposition gegen Energieprojekte kommt: Not In My Backyard. Doch offenbart die Studie „vielschichtige Motive der Betroffenen sowie geographische oder managementbezogene Aspekte des Anlagenbaus“. Die allgemein gewünschte Energiewende (Ob!) ist eben ein (auch mikro-)politisches (Wie?-)Thema. Das Fazit kann – eben auch für Unternehmen – nur heißen: Erklären, erklären, erklären – und Mitarbeitende einbinden. Und „schön“ machen (Ästhetik), würde ich noch ergänzen wollen.

Akzeptanz muss man sich verdienen

Und in dieses Horn stößt auch ein weiteres Autorengespann (Die Psychologie der Wärmewende): Weil die Akzeptanz in der Bevölkerung ein entscheidender Faktor für den Erfolg der Energiewende ist, „ist es wichtig, die Nutzer:innen in die Ausgestaltung der Energiewende einzubeziehen.“ Auf diesem Weg sehen sie allerdings ein gravierendes Problem: Gezielt gestreute Fehlinformationen, die durch Medien oder Politiker:innen immer wieder in die öffentliche Meinungsbildung eingeschleust werden. Damit meinen sie Informationen, die konträr zur vorliegenden Faktenlage stehen, diese bewusst ignorieren.

Sie präsentieren eigene praktische Beispiele aus Projekten zur kommunalen Wärmeplanung und der Bürgerbeteiligung an einem Wasserstoffprojekt. Dabei gehen sie von einem dreistufigen Akzeptanzmodell aus: (1) Toleranz, (2) positive Einstellung und (3) aktives Engagement. Für eine Akzeptanz sind inhaltlich Informationen über Planungsoptionen und den Prozess sowie transparente Entscheidungsgründe wichtig. Der Worst Case wäre das Gefühl, in der eigenen Freiheit eingeschränkt zu werden (das scheint offenbar das Gefühl vieler in den letzten Monaten gewesen zu sein: Etwas von oben aufgedrückt zu bekommen). Zudem wird Akzeptanz wahrscheinlicher, wenn die geplanten Maßnahmen Nutzen versprechen und wenig riskant sind. Und dann braucht es noch emotionale Identifikation mit der Maßnahme. – Das klingt nach einer Gebrauchsanleitung.

Betroffene zu Beteiligten machen

Als Game-Changer erweisen sich die Beteiligungsmöglichkeiten, die man den Bürgern anbietet. Das kennen wir schon aus dem Change-Management: Selbst erarbeitete Lösungen finden deutlich mehr Akzeptanz. Daher sagt der Organisationsentwickler schon seit Jahrzehnten: Spar‘ dir die Appelle an die Vernunft, vermeide Oberlehrertum und Besserwisserei, solches wird vom Gegenüber als demütigend wahrgenommen. Mache stattdessen Betroffene zu Beteiligten.

Interessant finde ich den zusätzlichen Hinweis auf Akteursnetzwerke: Man kann sich gegenseitig unterstützen. Auch indem man dieselbe Sprache spricht, ähnliche Beispiele erzählt. Und an dieser Stelle wird offensichtlich: Es braucht auch Führung. Womit insbesondere die Vorbildfunktion gemeint ist.

Und nun?

Nun, die Erkenntnisse zur Umsetzung erscheinen mir nicht neu. Die zur Lage, also zur Einstellung der Betroffenen, schon. Der politische Kontext ist natürlich viel komplexer als der in einem Unternehmen. Während man im Unternehmen schon die vertragliche Mitgliedschaft unterzeichnet hat, muss sich der politische Akteur das Commitment in der öffentlichen Arena erst noch erarbeiten. Das ist das eine. Das andere ist die Erkenntnis, dass der übliche Politikstil, Menschen mit Gesetzen (zum „Besseren“) zu zwingen, second best ist. Andersherum, durch Setzen von Anreizen, durch Beteiligung, komme ich nachhaltig weiter. Das ist aber deutlich mühsamer.

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