27. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Die neue HR-Organisation

KRITIK: Wenn sich Organisationen neu aufstellen, weil sie der Komplexität der Anforderungen gerecht werden wollen, dann kann das Personalmanagement nicht außen vor bleiben. Ein Reifegrad-Modell zeigt auf, wohin der Weg führt. Das Personalmagazin stellt es in einer Serie vor und präsentiert auch erste Praxisbeispiele.

Mit Reifegrad-Modellen stehe ich etwas auf dem Kriegsfuß. Der Begriff signalisiert für mich eine Art Aufwärtsentwicklung, wobei höhere Reifegrade in der Regel für „höherwertig“ und „fortschrittlicher“, eben „reifer“ stehen. Und dafür, dass sie aufeinander aufbauen: Man muss erst Stufe 1 durchlaufen, ehe man Stufe 2 erreicht usw. Ich frage mich, wofür eine solche Darstellung gut sein soll? Meine Vermutung: Mit solchen Modellen lassen sich Auftraggeber leichter überzeugen, Beratungsaufträge zu erteilen. Der Berater hilft dann, möglichst geschmeidig von Stufe 1 bis Stufe X zu gelangen, und am Ende ist man stolz, den höchsten Reifegrad erreicht zu haben, was sich wieder gut in der Außendarstellung macht.


Anzeige:

Weiterbildung zur agilen Change Managerin für fundiertes Wissen und praktische Relevanz ohne Berater Bla-Bla. Lernen Sie klassische Change Methoden mit neuen agilen Praktiken zu verbinden. In Kooperation und mit CAS Zertifikat der Hochschule Bremen. Hybrides Lernkonzept, d.h. Präsenz- und Remote Module wechseln sich ab. Infos und Buchung hier


Aber schauen wir genauer hin: Parallel zu den Entwicklungen, dass sich Strukturen in Unternehmen auflösen, zunehmend selbstorganisierte Teams entstehen, häufig sogar nur mit begrenzter „Lebensdauer“, muss sich auch der HR-Bereich etwas einfallen lassen. Wobei er – wie auch die Unternehmen – neben diesen agil arbeitenden Teams ja nach wie vor die nach altem Muster organisierten Bereiche zu betreuen hat. Braucht es als auch parallele Strukturen bei HR? Die Autoren im Personalmagazin lösen das Dilemma mit ihrem Reifegrad-Modell wie folgt (Auf dem Weg zur agilen HR-Organisation):

Stufe 1: Hier herrscht die klassische Stab-Linien-Struktur, es gibt funktionale Einheiten, die typischen Personalreferate und Sachbearbeiter. In Sachen Personalentwicklung werden Programme konzipiert und durchgeführt. Das passt zu überschaubaren Unternehmen ohne große Differenzierung oder gar Internationalisierung.

Stufe 2: Das Personalmanagement ist als Matrix-Organisation aufgestellt. Es gibt Projektteams, die übergreifend arbeiten, Regionalteams, Kompetenz-Center, Service-Center und Businesspartner. Für die Personalentwicklung sind hier eher die Führungskräfte verantwortlich, die Mitarbeiter- bzw. Entwicklungsgespräche führen.

Stufe 3: Die Organisation wird so komplex, dass die Matrixorganisation bei HR nicht mehr mitkommt. Also bilden sich Netzwerke, Communities of Practice – über Bereichs- und Ländergrenzen hinweg arbeiten HR Experten zusammen auch mit Fachleuten aus den Bereichen. Personalentwicklung bezieht den Mitarbeiter selbst stärker ein, aus dem Mitarbeitergespräch wird ein Mitarbeiter-Dialog, Feedbackinstrumente für Führungskräfte halten Einzug.
Die Autoren nennen dies die „HR-Plus-Net-Organisation“. Interssanter Aspekt: Diese Form hängt stark an den handelnden Personen: Scheidet einer der Experten aus, verschwindet auch der „Netzknotenpunkt“, denn so eine Netzwerk-Position ist ja keine ausgeschriebene Stelle.

Stufe 4 wird als HR-Hybrid-Organisation beschrieben. Die Idee dahinter: Die sich in Stufe 3 bildenden Netzwerke bilden eine eigene Organisation, die sich um vergleichbare Einheiten im Unternehmen kümmert. Sie existiert neben der Matrixorganisation, die damit nicht überflüssig wird, weil es ja schließlich noch jede Menge klassischer Aufgaben gibt. Für Personalentwicklung ist nun das Team selbst zuständig, Feedback erfolgt mehr im Team, das auch über Maßnahmen entscheidet. Dabei unterstützt wird es von einem Netzwerk aus Personalentwicklern, das nicht mehr in der alten Organisation angesiedelt ist und vor allem nach individuellen Lösungen sucht (Die HR-Hybrid-Organisation).

Stufe 5: Parallel zur Transformation des gesamten Unternehmens hat sich auch die HR-Organisation zu einer agilen HR-Netzwerk-Organisation gewandelt. Die Grenzen zwischen Personalern und anderen Funktionsträgern löst sich auf, es geht darum, die Mitarbeiter vor Ort dabei zu unterstützen, optimal für den Kunden tätig zu sein. Als Beispiel wird genannt, dass hier kein Personaler neue Mitarbeiter einstellt, sondern die Teams hierzu befähigt werden. Personalentwicklung ist Sache eines jeden Einzelnen, der dabei von den HR-Experten unterstützt und evtl. gecoacht wird (Die (agile) HR-Netzwerk-Organisation).
Es gibt keine zentrale HR-Funktion mehr, wobei allerdings die Shared-Services bleiben – ob im eigenen Haus oder von außen eingekauft. Übrigens ein Punkt, den ich nach wie vor stark in Frage stelle – irgendwann wird wieder der Ruf nach dem eigenen Personaler erfolgen, an den man sich auch mit Fragen in Sachen Verwaltung wenden kann.

Praxisbeispiele

Das klingt alles arg theoretisch. Mehrere Beispiele aus Unternehmen zeigen, wie so etwas in der Praxis aussehen kann. Bei EnBW Energie Baden-Württemberg hat man mit temporären agilen Teams experimentiert, wobei sich Mitarbeiter aus HR, aber auch aus anderen Teilen des Unternehmens bewerben können. Damit konnte man einige Themen deutlich schneller bearbeiten als bisher. Alles läuft auf ein Netzwerk hinaus, das sich um HR-Themen kümmert, und das eben nicht ausschließlich aus Personalern besteht (Agilität überwindet Grenzen).

Bei T-Systems arbeitet man schon seit Jahren mit agilen Teams, die Organisation von HR klingt extrem kompliziert: Es gibt nach wie vor die HR Business Partner, sodann HR BP Operations, eine Organisation als „Bindeglied zu den Centers of Excellence und Shared Services“ (die wohl bei der Mutter aufgehängt sind) und HR Projects & Transformation, wo mit agilen und temporären Teams gearbeitet wird, die themenbezogen zu „Tribes“ zusammengefasst sind, deren Mitarbeiter lokal in „Chaptern“ disziplinarisch angesiedelt sind (Im Hybrid-Modell auf dem Weg zur agilen HR-Organisation).

Spannend finde ich das Modell bei der Metafinanz, weil es noch viel weiter geht (HR als Netzwerkorganisation). Tatsächlich ist hier offenbar die ganze Organisation über den Haufen geworfen worden. Die zentralen Bereiche wir HR nennen sich nun „Shops“ mit der Idee, die Mitarbeiter vor Ort als Kunden mit Produkten zu versorgen, die sie benötigen. Die HR-Produkte nennen sich Karriereberatung, Team Empowerment, Search und HR Solutions. Man kann sich ungefähr ausmalen, was damit gemeint ist.

Die Philosophie im Gesamtunternehmen ist allerdings radikal: Jeder Mitarbeiter ist ein Unternehmer, er führt sich selbst und gehört keiner Führungskraft. Das wird höchst interessant anschaulich gemacht am Beispiel Gehalt. Das soll, wie natürlich in jedem Unternehmen, dem Markt entsprechen und individuell angemessen sein. Statt nun festgelegten Regeln zu folgen und die Festlegung Führungskräften auf’s Auge zu drücken, müssen sich die Mitarbeiter auch selbst um ihr Gehalt kümmern. Dabei werden sie von HR begleitet. Wie, das greife ich in einem eigenen Beitrag auf. Lesenswert!

Bleibt die Frage, ob das Reifegrad-Modell bei der Gestaltung des Personalmanagements wirklich hilft. Fest steht, so eine Aussage, dass es in der Tat keine Blaupause für eine richtiges Modell gibt, am Ende jedes Unternehmen das passende selbst entwickeln muss. Ob dafür ein Stufenmodell nötig ist, lasse ich einfach mal dahingestellt.

Teile diesen Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert