INSPIRATION: Es ist schon so viel zum Thema „Change“ veröffentlicht worden, dass es vermutlich keine wirklich neuen Erkenntnisse mehr gibt. In der Praxis sind aber längst nicht alle angekommen, es werden nach wie vor die gleichen Fehler gemacht. Und auch die bekannten Alternativen finden nur zögerlich den Weg in die Organisationen.
In der managerSeminare fasst Mark Poppenburg die Erkenntnisse zusammen und macht funktionierende Wege zum Wandel anschaulich deutlich (Anders ändern). Das meiste kann ich nur unterstützen. In einer Sache aber bin ich nicht seiner Meinung. Aber der Reihe nach. Erstmal die drei (bekannten) Trugschlüsse:
Anzeige:
Die Arbeitswelt braucht agile Coachs, um Selbstorganisation, Innovation und neues Rollenverständnis zu implementieren. Die Neuerscheinung „Agiler Coach: Skills und Tools“ liefert für jeden agilen Coach eine beeindruckende Bandbreite an Grundlagen, Methoden und Werkzeugen für die Team- und Mitarbeiterentwicklung im agilen Arbeitsalltag. Zum Buch...
- Veränderung ist kontrollierbar – ist sie natürlich nicht. Unternehmen sind lebendige Systeme und passen sich den Gegebenheiten an. Wer etwas ändert, erhält heute die eine, morgen die andere Reaktion. Versuchen Sie mal einen Menschen zu ändern – wie soll das dann bei Organisation klappen?
- Veränderungen kann man als Projekt durchführen. Organisationen ändern sich fortwährend. Genauso wenig wie man Organisationen entwickeln kann, sie entwickeln sich einfach. Also vergessen Sie Change-Projekte.
- Man kann Unternehmenskultur gestalten – kann man eben nicht. Die Kultur ist genau die, die im Moment sinnvoll ist. Sie ist die Antwort auf die Aufgaben einer Organisation, ihr Zweck ist es, „die Vielfalt möglichen Verhaltens auf eine deutlich kleinere Auswahl wahrscheinlichen Verhaltens“ zu reduzieren. Was man machen kann: Die Kultur beobachten. Sie liefert Informationen darüber, welche Antworten eine Organisation auf Probleme gefunden hat. Und man erkennt, wo sie eben dazu nicht mehr ausreichend in der Lage ist, sprich: Wo sie auf dem Weg zur Wertschöpfung den Mitarbeitern das Leben schwer macht.
Soweit, so nicht neu. Die Konsequenzen hieraus? Kommen jetzt:
Die Konsequenzen
- Verändern durch Verzicht. Dinge, die als selbstverständlich gelten, einfach mal weglassen. Dienstreiseregelungen, Mitarbeiterbefragungen, Berichtssysteme, Budgetprozesse – was auch immer nicht der direkten Wertschöpfung dient, aber eine „heilige Kuh“ darstellt, die unantastbar ist. Vieles davon ist keine „Arbeit“ (im Sinne des Tätigwerdens für den Kunden), sondern Beschäftigung.
Und dann beobachten, was passiert. Poppenborg nennt das „Entstauben“. - Verändern durch Verfügung. Es gibt eine Reihe von Praktiken, deren schädliche Nebenwirkungen bekannt sind, aber sie halten sich trotzdem. Boni zum Beispiel. Oder Zielvereinbarungen. Leistung lässt sich nicht messen, schon gar nicht der individuelle Beitrag zum Ergebnis, also stiften solche Verfahren nur Unfrieden und Frust. Hier muss man nicht experimentieren, hier muss nur von oben entschieden werden. Und das müssen die machen, die hierarchische Macht besitzen. Dafür braucht es Chefs. Ohne sie ginge das nur per Abstimmung. Aber das würde nur zur Verwässerung führen, zu „weichgespülten Beschlüssen ohne Ecken und Kanten“.
Hier seien viele Unternehmen auf dem Holzweg, wenn sie ihre Führungskräfte zu Coachs machen, und diese müssen dann rumeiern, ein „Schauspiel, das letztlich nur vom ideologischen Ideal motiviert ist …“ - Verändern durch Nutzen von Vorhandenem: In jeder Organisation entstehen Parallel-Strukturen. Wenn sich in der offiziellen Organisation bestimmte Ideen nicht durchsetzen, probieren es die Mitarbeiter trotzdem. Die Alternativen funktionieren oft weitaus besser, hier muss dann ein formal Mächtiger diese Ausnahmen genehmigen, dann muss schließlich niemand mehr nach außen die alte Version aufrechterhalten, es gilt die neue Lösung. Also wieder muss der Chef ran.
- Verändern durch Experimente – hinlänglich oft beschrieben, man führt Schutzraumprojekte durch und schaut, was daraus wird. Aber nicht als Pilotprojekt, um das dann über alle anderen zu stülpen. Man lässt einfach das nächste Schutzraumprojekt folgen, auf diese Weise vollzieht sich Veränderung organisch.
Wie erwähnt, teile ich all das. Nur die Geschichte mit der Demokratie als untaugliche Alternative zur Hierarchie erschließt sich mir nicht. Wenn die schädlichen Nebenwirkungen von Bonussystemen bekannt sind und der Irrsinn mit den Zielvereinbarungen die gesamte Organisation nervt – warum soll dann nur jemand mit formaler Macht die Abschaffung beschließen können? Warum sollten informierte und gebildete Mitarbeiter nicht in der Lage sein, mehrheitlich für die Abschaffung zu stimmen? Wobei es inzwischen auch Alternativen zur klassischen Mehrheitsentscheidung gibt, die sicherlich ihre Schwächen hat. Ich bin mir sicher, dass auch Gruppen von Menschen in der Lage sind, sinnvolle Entscheidungen zu treffen.