KRITIK: Wir werden tagtäglich manipuliert – ob beim Einkauf oder beim Verhandeln mit Geschäftspartnern. Und ständig erhalten wir neue Tipps, wie man andere dazu bringt, sich so zu entscheiden, wie wir das gerne hätten. Scheint zu funktionieren. Solange der andere den Trick nicht kennt.
In der managerSeminare bekommt der Ex-Professor und Inhaber eines Beratungsinstitutes namens „Influence at Work“ namens Robert Cialdini die Gelegenheit, uns diese Kniffe und die dahinter liegenden Prinzipien näher zu erläutern (Zustimmung vorprogrammiert). Er spricht dabei auch ganz offen von „Tricks“ und erklärt, dass sie vielleicht ethisch nicht ganz einwandfrei sind. Zum Beispiel dieser hier: Ein Verkäufer von Feueralarmen tut so, als habe er etwas im Auto vergessen. Während der potenzielle Kunde die Technik ausprobiert, geht der Verkäufer noch einmal hinaus und kommt anschließend durch die offene Tür wieder rein.
Was das bewirkt? Der Kunde hält Menschen, die einfach so in seinem Haus aus- und eingehen für vertrauenswürdig. Das passiert natürlich unbewusst, damit aber ist er in ganz anderer Verfassung und deutlich kaufbereiter. Cialdini nennt das „privilegierte Momente“ schaffen. Damit wird beim Gegenüber ein Gefühl erzeugt, ein mentales Konzept angeregt, „das der späteren Beeinflussung dienlich ist“. Noch genauer: Man erzeugt beim anderen bestimmte Gedanken, die Assoziationen auslösen, wenn später die eigentlich Botschaft kommt.
Die Kunst ist also, den anderen irgendwie vorzubereiten, zum Beispiel durch „pre-suasive“ Fragen. Wer ein Gesetz für härtere Strafen durchbringen will, spricht von den Tätern als „wilde Bestien“, wer lieber durch soziale Projekte Verbrechen vorbeugen will, von „Virus“ (was der Bürger dann eher mit einer Krankheit verbindet). Worte sind also „pre-suasive Öffner“. Für diese und ähnliche Reize gibt es natürlich Experimente, die zeigen, wie die Begriffe wirken.
Es gibt auch ein paar allgemeine mentale Konzepte, mit den man Menschen „öffnen“ kann. Alles schon mal gehört: „Reziprozität“ (in Vorleistung gehen, dann sind Menschen eher bereit, etwas zu geben), Gemeinschaft („Den habe ich selbst zu Hause, ist mein Lieblingssessel…“). Oder Knappheit. Dazu findet sich ein „schönes“ Beispiel in der Wirtschaftswoche (Vermessen und verkauft). Ein Designer in Antwerpen verkauft „Streetear“ – Klamotten, die sonst Studenten tragen und eigentlich ein paar Euro kosten, für das 100fache, aber sorgt dafür, dass die Stücke rasch ausverkauft sind. Das funktioniert wegen des „Geltungskonsums“: Für bestimmte Zielgruppen gelten die Marktgesetze nicht bzw. umgekehrt: Je teurer, desto begehrenswerter.
In dem Beitrag erfahren wir noch weitere Kniffe, die uns beim Einkaufen das Geld aus der Tasche locken: Große Einkaufswagen, die mit wenigen Produkten so leer erscheinen, dass man einfach weiter kaufen muss. Oder deren Boden abgeschrägt sind, so dass die Einkäufe aus dem Sichtfeld rutschen. Oder die Ausstellung von wertvollen Stücken, die man in die Hand nehmen kann (Apple Stores). Was früher hinter Glasvitrinen eingeschlossen war, kann heute erfühlt werden, und wer ein Stück einmal angefasst hat, der ist viel eher bereit zu kaufen.
Bleibt noch der gewitzte Gebrauchtwagenhändler (Feilschen für Anfänger). Anders als der Einkäufer bei Procter & Gamble (im gleichen Beitrag), der die Verhandlungen im eigenen Haus führte (Heimvorteil) und dafür sorgte, dass sich die Lieferanten unwohl fühlten (immer ein Einkäufer mehr als Verkäufer, ein überhitzter Raum), klingen die Tipps des türkischen Autohändlers geradezu wohltuend pragmatisch. Zuerst der Smalltalk vor der Tür, bei dem er herausfindet, ob der Kunde überhaupt kaufen möchte und welches Budget er sich gesetzt hat. Dann geht es ins Büro, bei einem Getränk kommt er den Kunden entgegen – selten bis gar nicht beim Preis, wohl aber bei zusätzlichen Leistungen (Auto anmelden, voller Tank, Ersatzreifen…)
Ganz wichtig: Wenn der Kunde zu erkennen gibt, dass er auch noch andere Händler besucht, wird er erst gar nicht ins Büro gebeten. Dann empfiehlt er ihm, sich erst mal bei den anderen zu erkundigen. Kommt der Kunde dann wieder, hat er bei den Preisverhandlungen keine Chance mehr – weil der gewitzte Verkäufer nun weiß, dass er das beste Angebot hat. Schlau…
Manipulativ? Bis auf den letzten „Trick“ (der ja gar keiner ist, sondern einfach nur eine Empfehlung für den Kunden, sich zu informieren) sind all diese Verfahren natürlich manipulativ. Cialdini empfiehlt, diese nicht zum Schaden des anderen einzusetzen. Da kann man sich nun streiten, wann der andere einen Schaden erleidet. Wenn er bei mir etwas kauft, das er woanders günstiger bekommen hätte? Wenn er etwas bezahlt, für das er eigentlich kein Geld hat und anschließend in Schwierigkeiten kommt? Ein solcher Rat ist scheinheilig, nachdem zuvor erklärt wurde, wie man den anderen in Kaufstimmung versetzt hat.
Warum ich dann die ganzen Tricks hier wiedergebe? Damit Sie gewarnt sind, wenn ein Verkäufer etwas vergessen hat und „mal eben zu seinem Auto zurückgeht“. Lassen Sie ihn am besten anschließend erst gar nicht mehr rein…