INSPIRATION: Ein schwieriges Thema, bei dem es mir schwerfällt, eine Position zu beziehen. Es geht um die Feststellung, dass immer mehr Menschen bereit sind, über ihre psychischen Probleme zu sprechen und „noch nie so viel über mentale Gesundheit geredet und geschrieben wurde wie heute“ (Wie geht es uns?). Mehr und mehr auch von Prominenten aus alle Bereichen. Das ist erst einmal gut, denn damit steigt die Chance für die Betroffenen, auf Verständnis zu stoßen und Hilfe zu bekommen.
Was eigentlich dazu führen sollte, dass die Symptome früher erkannt, die Behandlung entsprechend eher einsetzen kann und und die Zahl der Menschen mit psychischen Leiden sinken sollte. Tut sie aber nicht, das Gegenteil passiert. Drei mögliche Gründe nennt ein Psychiater:
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- Immer noch ist die Versorgung mit Psychotherapie unzureichend und nach wie vor nehmen zu wenig Menschen diese Angebote wahr.
- Tatsächlich ist die Zahl der Erkrankten noch viel höher, aber weil viele inzwischen behandelt werden, fällt das nicht auf.
- Jedes Unglück und Leid wird mittlerweile pathologisiert, somit steigt die Zahl der Leiden, die als Krankheit verstanden werden.
Der Experte vermutet, dass alle drei Faktoren eine Rolle spielen und plädiert für das richtige Maß an Aufmerksamkeit. Aber wie geht das? Wie findet man heraus, ob etwas uns krank macht oder ob wir „einfach nur unglücklich“ sind – was zum Menschsein dazugehört? Die falsche Frage, oder? Besser wäre es zu fragen: Was führt dazu, dass wir leiden und wie können wir das ändern?
Womit wir bei den Arbeitsbedingungen sind. Dass diese Leid erzeugen können, ist keine neue Erkenntnis. Auch nicht, dass sie krank machen können. So wie bei den beiden Polizisten, die aus Angst, nicht verbeamtet zu werden, zur Therapie gehen, aber diese aus eigener Tasche bezahlen (Das große Schweigen). Der eine traut sich erst, sich stationär behandeln zu lassen, als er bereits verbeamtet ist. Der andere erfährt, dass sein Leid eine normale Reaktion auf die Arbeitsbedingungen ist und ist erleichtert, dass er keine Therapie braucht.
Steigender Produktivitätsdruck
Und wie genau tragen die Arbeitsbedingungen zur psychischen Erkrankung bei? Sie überfordern uns. Weil überall der Produktivitätsdruck steigt. Effizienz ist eine Forderung, die alle Bereiche betrifft, und die Methoden werden immer ausgefeilter. Wie sich diese auf den Menschen auswirken, wird eher selten berücksichtigt. Im Gegenteil – sie verändern unser Verhältnis zur Arbeit.
Diese nämlich wird immer persönlicher. „Die Arbeit dehnt sich immer weiter ins Privatleben aus, bestimmt den Feierabend, die Erholung.“ (Ich bin nur etwas wert, wenn …) Die Menschen erhalten mehr Autonomie, können ihre Arbeitszeiten selbst festlegen, die Tätigkeiten mit den Kollegen absprechen, vor Ort Entscheidungen treffen, ja sogar ihr Gehalt selbst festlegen. Das klingt nach Freiheit, Flexibilität und Selbstverantwortung. All das trifft auch zu. Aber es wird eben auch psychisch anspruchsvoller.
Und es wird missbraucht. Von jenen, die sich durch all das eben – mehr Produktivität, mehr Effizienz erhoffen. So ist ja auch das Versprechen: Lasst den Menschen mehr Freiheiten, sie werden es euch mit besseren Resultaten entgelten. Denn nun tratschen sie nicht mehr in der Kaffeeküche, heute heißt es: „Die stehen im Brain Lab, da kommen bestimmt tolle Ideen heraus.“
Zurück zur Distinktion
Man könnte es auch so formulieren: „… mit New Work werden aus unternehmerischen Problemen Probleme der Beschäftigten gemacht.“ (Wie geht es uns?). Erfüllend ist es nicht, wenn man „nur auf Sitzsäcken herumfläzen darf, um über das Unternehmensziel eines anderen nachzudenken.“ Auf Dauer ist es belastend, überfordernd.
Wie schafft man Abhilfe? Die Antworten sind ziemlich einfach: Entweder man lässt die Menschen mitentscheiden, zumindest, was die Ziele und Mittel der eigenen Arbeit betrifft – und macht sie zu echten Mit-Unternehmern – oder, wenn man dazu nicht bereit ist, man sorgt für „Distinktion, also eine klare Abgrenzung des Privaten.“ (Ich bin nur etwas wert, wenn …). Ob es einen Weg zurück dorthin gibt? Ich bin skeptisch in Zeiten des mobilen Arbeitens und des Home-Offices.