INSPIRATION: Das Thema ist vermutlich zu komplex, um es in einem kurzen MWonline-Beitrag auch nur annähernd zu erfassen. Es geht darum, wie wir mit großen Datenmengen oder vielen – zum Teil widersprüchlichen – Informationen umgehen. Weil wir die Zusammenhänge nicht begreifen, tendieren wir zur Vereinfachung. „Root Simplicity“ nennt Henning Beck das Phänomen in seiner Kolumne der Wirtschaftswoche (Neymar ist nicht an allem schuld). Als Beispiel dient das legendäre Fußballspiel der Deutschen gegen Brasilien, das bekanntlich mit 7:1 endete und nach allen Statistiken des Spieles eigentlich nur hätte von den Brasilianern gewonnen werden können.
Worauf er hinauswill: Daten können in die Irre führen, sie erklären ein Phänomen eben nicht auf jeden Fall. Und zu viele Daten trüben mitunter den Blick für das Wesentliche. Mag ja sein, aber was ist die Konsequenz – auf sie zu verzichten? Und was hat das mit der Tendenz zur Vereinfachung zu tun? Die nämlich führt dazu, dass wir gerne eine simple Erklärung für einen Vorgang hätten, am liebsten einen einzigen nachvollziehbaren Grund, warum etwas passiert.
Trivialisierung
Als Beleg führt er ein anderes Beispiel an: Die wie wild sprießenden Verschwörungstheorien. Es geht nicht in den Kopf, dass z.B. die Angriffe auf das World Trade Center von dezentral organisierten Tätern nahezu zeitgleich abliefen, und nichts davon rechtzeitig entdeckt wurde. Es muss etwas anderes dahinter gesteckt haben, ein Masterplan, ausgeheckt vermutlich vom amerikanischen Geheimdienst. Und ebenso muss auch hinter der Corona-Krise eine einzige und eindeutige Ursache stecken. Weil es nun mal nicht sein kann, dass zufällig ganz viele Faktoren zusammen eine so weitreichende Katastrophe erzeugt haben.
Ist das also die Erklärung dafür, dass Menschen an die merkwürdigsten Dinge glauben? Für Aberglaube, Religion, Vorurteile, Verschwörungen, ewiges Wachstum usw. Der Wunsch, Ordnung in das Chaos von Ursache und Wirkung zu bringen? Für diese seltsame Sehnsucht nach der einen Macht hinter all dem offenbar Unerklärlichem? Da möchte man erwidern: Kann ja nicht sein, dass es so einfach ist, oder?
Zumindest eine Empfehlung aus dieser Hypothese ergibt einen Sinn: Wann immer uns jemand weismachen will, dass er die EINE Ursache für einen Vorgang kennt, sei es ein unfassbares Sportresultat, eine Umweltkatastrophe, eine Firmenpleite, einen Konflikt, dann sollten wir misstrauisch werden und diese Erkärung hinterfragen.
Bei Diskussionen mit Menschen, die an seltsame Dinge glauben, hilft das vermutlich wenig. Außerdem ist die Erkenntnis, dass es eben nie nur eine einzige Ursache für etwas gibt, alles andere als leicht auszuhalten. Es wäre eben zu schön, wenn es so einfach wäre.