27. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Experten führen

INSPIRATION: Das ist nicht das erste Mal, dass bei MWonline ein Beitrag über das Führen von Experten erscheint. Warum schon wieder? Weil ein etwas anderer Zugang gewählt wird: Es geht um die besonderen Bedürfnisse von Experten und wie man ihnen gerecht wird. Die Zeitschrift Führung + Organisation beschäftigt sich mit dem Thema in mehreren Beiträgen. Wenig überraschend: Es wird betont, dass schon jetzt und in Zukunft immer mehr Aufgaben von Maschinen übernommen werden. Und dass Menschen, deren Kompetenzen nicht von Robotern ersetzt werden, dramatisch an Wert gewinnen werden.

Lyding und Fortmeier unterscheiden drei Arten von Experten, mit denen es Organisationen zu tun haben: Diejenigen, die als Experten eingestellt werden, die sich in der Organisation zum Experten entwickelt haben und diejenigen, die als Externe eine Zeitlang im Unternehmen tätig sind. In drei Fallbeispielen aus dem Coaching beschreiben sie, wie es diesen ergehen kann und was das für Unternehmen bedeutet (Einbindung in die Organisation).


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3 Fallbeispiele

  • Da ist die junge Frau, die in der Personalentwicklung eines Konzerns einsteigt und schon bald eine gefragte Expertin ist. Als ihr eine Führungsposition angeboten wird, lehnt sie ab. Sie schätzt ihren Expertenstatus sehr und möchte sich lieber persönlich weiter entwickeln. Aber Karriere und Führung gehören in Konzernen nun mal zusammen. Und Personalentwicklung wird meist immer noch verstanden als Übernahme von Führungsaufgaben. Deshalb nimmt sie ein Abfindungsangebot an und entscheidet sich für die Selbstständigkeit.
  • Ein Familienvater arbeitet in einem Familienunternehmen und hat sich dort zu einem Experten in seinem Arbeitsgebiet entwickelt. Irgendwann wurden ihm Mitarbeiter unterstellt, die er zuerst offenbar zur Zufriedenheit aller führt. Nach Kritik an seinem Führungsverhalten konzentriert er sich mehr auf diesen Teil der Tätigkeit und ist auch hier erfolgreich. Bis sich die Bürokratie im Unternehmen verstärkt, unsinnige Projektentscheidungen gefällt werden und politische Entscheidungen überwiegen. Seine Arbeit verliert an Bedeutung, irgendwann bewirbt er sich woanders, wo seine Expertise wieder geschätzt wird.
  • Ein selbstständiger Berater stellt fest, dass er sich bei einem Auftraggeber immer dann wohl fühlt, wenn er als „interner Externer“ behandelt wird, als „einer von uns“. Zugehörigkeit ist für ihn der zentrale Motivator. Genau das würde ihm vermutlich nicht passieren, wenn er, was zunehmend der Fall ist, Mitarbeiter einer größeren Beratungsgesellschaft wäre. Aber eben das ist offenbar ein Trend. Immer mehr Unternehmen suchen Rat bei großen Agenturen, „die ihrerseits wieder Freiberufler als Subunternehmer beschäftigen“. Häufig gehörte Begründung: Die Auftraggeber möchten das Problem der Scheinselbstständigkeit umgehen.

Organisationale Ignoranz?

Was folgt aus all dem? Ganz einfach: Viele Konzerne machen sich immer noch zu wenig Gedanken über die Bedürfnisse von Experten. Egal, ob sie im Unternehmen herangereift sind, als solche eingestellt oder befristet verpflichtet werden. Würden sie hier genauer hinschauen und vor allem zuhören, könnten sie deren Expertise viel besser nutzen.

Auch wenn es sich hier nur um drei Einzelfälle handelt: Vier Bedürfnisse werden hier besonders deutlich: Experten möchten für ihr Expertentum gewertschätzt und honoriert werden (Bedürfnis nach Anerkennung) und wollen eher keine Karriere als Führungskraft machen. Sie möchten gefordert werden (Wunsch nach herausfordernden Aufgaben) und sie möchten dazugehören (Wunsch nach Gemeinschaft). Und sie möchten sich weiter entwickeln, nicht auf einem Wissensstand stehen bleiben, sondern ihre Kenntnisse und Fähigkeiten ausbauen (Wunsch nach Entwicklung).

Unternehmenskultur?

In einem zweiten Beitrag wird erklärt, welche Art von Unternehmenskultur wohl benötigt wird, damit Experten ihre optimale Leistung bringen können (Expertenfreundliche Unternehmenskultur). Passend zu den oben genannten Bedürfnissen finden wir hier eine fehlerfreundlichen Unternehmenskultur, eine klare Orientierung, ermutigendes Feedback, persönliche Weiterentwicklung, eine konstruktive Zusammenarbeit, ein gutes Konfliktmanagement und das alles am besten von Anfang an, beginnend mit einem angemessenen Onboarding und Teambuilding-Workshops. Na ja.

Was mich bei all dem so richtig stört: Als Experten werden offenbar nur Menschen verstanden, die einen höheren Bildungsabschluss haben. Was ist mit dem Facharbeiter, der sich Laufe eines Berufslebens ein umfangreiches Wissen über die spezifischen Produktionsprozesse erworben hat? Oder mit der Sachbearbeiterin, die jeden Vorgang kennt und alle nur erdenklichen Anwendungsfälle? Ich weiß, an dieser Stelle kommt wieder die Prognose, dass die meisten „einfachen Tätigkeiten“ entweder outgesourct oder von Maschinen übernommen werden. Für etliche mag das gelten, für viele andere aber nicht. Es stünde Unternehmen nicht schlecht, JEDEN Mitarbeiter auf seinem Gebiet als Experten zu betrachten, und die oben genannten Bedürfnisse sind keineswegs bestimmten Expertengruppen vorbehalten.

Von daher wäre der logische Appell, allen, die entweder kein Bedürfnis oder keine Chance auf Führungsaufgaben haben, als Experten zu betrachten und ihnen die entsprechende Wertschätzung und Förderung entgegen zu bringen. Und endlich sich von der Vorstellung zu verabschieden, dass Karriere immer bedeutet, „Führungskraft“ zu sein.

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