INSPIRATION: Brauchen Organisationen eine Hierarchie? Oder ist deren Ende gekommen, wie die managerSeminare fragt? Die Berichte über nahezu hierarchielose Unternehmen häufen sich, einen wirklich spannenden haben wir in der gleichen Ausgabe gefunden. Lesenswert!
Das Beratungsunternehmen ibo erlebte das, was vielen passiert, wenn man eine bestimmte Größe erreicht hat: Man bastelt eine Struktur, mit der Folge, dass Abteilungen mit unterschiedlichen Aufgaben entstehen. Und diese fangen sofort an, ein Eigenleben zu führen, das Silodenken lässt grüßen. Wenn es kritisch wird, entscheidet die Geschäftsführung, die sich dann als Nadelöhr erweist. Die Folge: Langsame Entscheidungsprozesse und wachsende Unzufriedenheit.
Anzeige:
Die Arbeitswelt braucht agile Coachs, um Selbstorganisation, Innovation und neues Rollenverständnis zu implementieren. Die Neuerscheinung „Agiler Coach: Skills und Tools“ liefert für jeden agilen Coach eine beeindruckende Bandbreite an Grundlagen, Methoden und Werkzeugen für die Team- und Mitarbeiterentwicklung im agilen Arbeitsalltag. Zum Buch...
Bei ibo hatte man irgendwann genug davon und versuchte es mit Scrum – mit allem, was dazu gehört: Multifunktionale Teams, Rollenaufteilung, agilen Coachs, regelmäßigen Teammeeings und Sprints. Wie man das aus der IT-Branche kennt. Mit dem Denkfehler, dass man eben kein IT-Unternehmen war. Die notwendigen Anpassungen (aus dem Daily wurde ein Weekly, die Sprints von maximal vier Wochen auf drei Monate verlängert), die daraus resultierten, dass die Mitglieder der Teams eben nicht täglich zusammen sitzen, sondern in Seminaren und Workshops bei den Kunden unterwegs sind, machten das eigentlich schnellere und flexiblere Procedere viel langsamer. Es gab einen „Schrei nach Führung“. Mit anderen Sorten: Scrum funktionierte nicht.
Die Konsequenz – nein, man kehrte nicht zur alten Struktur zurück, sondern probierte es mit Holokratie. Und siehe da, es klappt. Jetzt gibt es Kreise mit klar definierten Rollen. Wie sich herausgestellt hat, eignen sich bestimmte Aufgaben überhaupt nicht, in Form von Scrum bearbeitet zu werden. Warum sollte z.B. die Buchhaltung Sprints absolvieren?
Nun gibt es auch klare Führung durch die Lead LInks.“Na bitte, Organisationen brauchen Hierarchie!“, höre ich jetzt. Was Organsisationen tatsächlich brauchen, ist Klarheit. In diesem Fall bedeutet das, dass in jedem der Kreise jemand dafür zuständig ist, ein Thema voranzutreiben. Es gibt keinen, der anweist, während andere ausführen. Alle übernehmen die Aufgaben, die zur jeweiligen Rolle gehören. Auch eine Erkenntnis: Die Trennung von Rolle und Person hilft, Kritik zu äußern und anzunehmen.
Das Fazit aus der Geschichte: Wie man sich organisiert, hängt von den Aufgaben ab. Auch bei ibo gibt es noch Scrum, aber nur dann, wenn es Projektarbeit angesagt ist.
Bleibt die Frage, ob es tatsächlich ohne Hierarchie geht. Die Antwortet findet sich in dem Beitrag „Das Ende der Hierarchie“. Es geht nicht ohne Führung, und damit nicht ohne zumindest „temporäre Hierarchien„. Damit kann ich prima leben. Die können sogar sehr autoritär Anweisungen geben, z.B. bei Einsatzkräften der Feuerwehr, wenn schnell gehandelt werden muss. Aber warum sollte der Einsatzleiter auch das Sagen haben, wenn es um Urlaubspläne geht? Es muss eben klar geregelt werden, wie Entscheidungen getroffen werden: Ob von einem Experten, von einer (temporären) Führungskraft oder vom ganzen Team. Hauptsache, es ist geregelt.
Mit einem Knackpunkt: „Das Grundsystem Besitz„, wie eine Beraterin formuliert. Ich kann als Inhaber jede agile Organisationsform einführen, am Ende werden doch alle auf den Eigentümer schauen, sobald dieser signalisiert: Ihr könnt entscheiden wie Ihr wollt, wenn ich nicht einverstanden bin, funke ich dazwischen. Ob ein Inhaber in der Lage ist, ganz loszulassen? Für mich eine spannende Frage. Oder funktionieren solche Systeme am Ende nur, wenn eine Organisation allen Mitgliedern gehört?