INSPIRATION: Ich habe keine Idee, wie viele Beiträge zum Thema „richtiges Verhandeln“ wir hier bei MWonline schon besprochen haben. Sollte es dazu wirklich noch etwas Neues geben? Auch der folgende Ansatz ist nicht neu. Aber, so der Autor im Harvard Business Manager, viele haben inzwischen aus den Augen verloren, wie sinnvoll es ist, bei Verhandlungen den Kuchen zu vergrößern, so dass alle Parteien gewinnen (Meins, deins, unseres).
Man mag ihm zustimmen angesichts einer Zeit, in der überall geniale „Deals“ abgeschlossen werden. Auch in der Feststellung, dass die Menschen kompromissloser sind, seltener den Standpunkt des anderen verstehen wollen und weniger auf eine Problemlösung statt auf den eigenen Vorteil bedacht sind. Wie sieht nun sein Ansatz aus?
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Den Kuchen vergrößern
Es geht darum, in Verhandlungen die sogenannte „Solidaritätsdividende“ einzustreichen, also jene Gewinne, die dadurch möglich sind, dass man produktiv zusammen arbeitet und Werte schafft statt wie beim Feilschen lediglich den geringsten oder besten Preis zu erzielen. Hier kommen die Tipps und die empfohlenen Strategien:
- Die richtige Vorbereitung. Liest man auch nicht zum ersten Mal. Hier ist gemeint: Erstellen Sie einer Liste der verhandlungsrelevanten Themen. Welche Faktoren spielen, außer dem Preis, noch eine Rolle? Bestimmen Sie anschließend ihre relative Bedeutung. Indem Sie diese z.B. gewichten. Das sollten am besten natürlich beide Seiten tun. Manchmal stellt sich heraus, dass es Faktoren gibt, die für die eine Seite ziemlich entscheidend sind, für die andere aber nur von geringer Bedeutung.
- Vermeiden Sie es, die Verhandlungspunkte nacheinander abzuarbeiten – soll heißen: Einigen Sie sich auf keinen einzigen Punkt, ehe Sie nicht alle anderen Punkte diskutiert haben. Wobei Sie natürlich oft nicht wissen, welche Punkte es beim Verhandlungspartner überhaupt gibt. Viele glauben ja immer noch, es ist gut, so viele Karten wie möglich verdeckt zu halten.
- Wenn es zum Verhandlungspartner ein gutes Vertrauensverhältnis gibt, können beide Seiten alle Aspekte offen ausbreiten, um dann eine Vereinbarung zu treffen, bei der keiner das größere Stück vom Kuchen bekommt, sondern der Kuchen sich vergrößert und alle davon profitieren.
- Ist es mit dem Vertrauen noch nicht so weit her, versuchen Sie, durch Fragen herauszufinden, welche Aspekte für den anderen noch wichtig sind. Zum Beispiel: „Ich würde gern verstehen, welche Aspekte Ihnen wichtig sind!“. Oder nachfragen, wenn die andere Seite ein Angebot macht, dass Sie überrascht oder das Sie mit Skepsis betrachten: „Können Sie mir mehr über diese Möglichkeit erzählen?“. „Wären Sie bereit, mehr von X zu liefern, wenn wir dafür Y akzeptieren?“.
- Wenn die Vorsicht auf beiden noch sehr groß ist, dann hilft es, selbst damit zu beginnen, Informationen preiszugeben (Reziprozitätsregel). Natürlich nicht sofort Ihre Schmerzgrenze verraten, aber Sie können einige Ihrer Prioritäten offen legen. Z.B. wenn ein Angebot Ihnen nicht passt, können Sie erklären, dass Ihnen im Moment ein anderer Aspekt deutlich wichtiger ist.
- Wenn der andere nun gar nicht bereit sein sollte, Informationen offenzulegen, dann hilft es, mehrere Angebote gleichzeitig zu unterbreiten. Und zwar so, dass für Sie der Wert stets der gleiche ist. Z.B. „Eine Beteiligung von 20% zum Preis von 800.000 Euro.“ Oder: „Eine Beteiligung von 17% zum Preis von 800.000 Euro plus die Übernahme des Vertriebs zum Honorar von 100.000 Euro.“ Oder …
Dann ist der Verhandlungspartner an der Reihe. Selbst wenn er alle Angebote ablehnt, wird er einzelne Bestandteile aufgreifen und damit Informationen liefern, welche Aspekte ihm wichtig sind. Damit hat man die Basis für weitere Verhandlungen gelegt.
Post-Settlement-Settlement
Noch ein interessanter Hinweis: Es kommt nicht selten vor, dass man am Ende einer Verhandlung nicht wirklich mit dem Ergebnis zufrieden ist. Man hat eine Vereinbarung, was aber nicht bedeutet, dass die Verhandlungen damit zu Ende sind. Dann könnte man ein „Post-Settlement-Settlement versuchen – eine Vereinbarung nach der Vereinbarung. In einem solchen Fall also endgültig abschließen, sondern teilen Sie der anderen Seite mit, dass Sie bereit sind, die vereinbarten Ergebnisse umzusetzen, es aber für beide Seiten von Vorteil sein könnte, sich noch einmal an einen Tisch zu setzen.
Die Erfahrung zeigt, dass nach einem Deal die Beteiligten oft entspannter sind und damit offener auch in Sachen Informationsaustausch. Es muss allerdings klar sein, dass Sie nicht von der einmal erzielten Vereinbarung zurücktreten werden. Diese „Nachverhandlung“ muss nicht unbedingt im Anschluss an die eigentliche Verhandlung stattfinden, es kann auch einige Zeit später geschehen.
Erfahrene Verhandler mögen all das schon kennen, für mich gab es durchaus einige Aha-Erlebnisse.