9. Mai 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Teamarbeit mit Biss

INSPIRATION: Innovation ist selten die alleinige Leistung eines kreativen Individuums. Ideen wachsen und reifen in der quirligen „Suppenküchen-Atmosphäre“ von Teams. Dort werden sie so lange getestet und verfeinert, bis die Kundschaft entzückt ist.

Doch wie machen das solche Teams? Und warum geben einige auf, aber andere bleiben dran und ziehen die Sache durch? Dieser Frage geht das Autorenteam Bernardy und Antoni (With grit to innovative teams?) nach. Sie entwickeln ein überzeugendes Modell dafür, wie Teams es schaffen, langfristige Ziele mit Passion und Beharrlichkeit zu verfolgen.


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Die Autoren übersetzen Grit mit „Biss“. Im semantischen Raum klingen aber auch Mut, Fähigkeit, Teamgeist und weitere Begriffe mit, die man aus der sozialpsychologischen Forschung längst kennt – wie Kohäsion, Commitment und so weiter. Grit meint das Verfolgen langfristiger Ziele mit Leidenschaft und Ausdauer trotz Widrigkeiten. Wo andere aufgeben, bleibt der „gritty“ Typ dran. Grit ist eine Kompetenz. Und keine Eigenschaft. Grit ist kontextspezifisch und zweckorientiert.

Team-Grit

Die Forschung zu Grit hat sich bisher auf die individuelle Ebene konzentriert. Die Autoren denken den Ansatz nun weiter und generalisieren das Konzept für die Teamebene. Dafür haben sie einen speziellen, herausfordernden Kontext ausgewählt: das Innovationsmanagement. Denn dort hat man es eher mit unklaren Zielen zu tun. Personen, die dort arbeiten, müssen wirklich hartnäckig sein. Innovationsprozesse können Monate oder sogar Jahre dauern und sind oft mit Rückschlägen und Schwierigkeiten verbunden. Wer da nicht mit Leidenschaft dabei ist, wird schnell frustriert und wirft die berühmte „Flinte ins Korn“.

Team-Grit verstehen die Autor:innen daher als „einen gemeinsamen, motivierenden, emergenten Zustand, der affektive und kognitive Komponenten umfasst“. Das lässt aufhorchen. Denn in der Organisationspsychologie dominieren bislang, so meine Wahrnehmung, eher statische und stark kognitive Modelle. Das theoretische Modell, das das Autorenteam vorschlägt, soll beschreiben, wie Team-Grit entsteht und iterativ sowie rekursiv zu Teaminnovationen führt.

Ein dynamisches Modell

Schlüsselmechanismen dafür sind emotionale Ansteckung und Übertragungseffekte. Es sollen also affektive Zustände wie Stimmungen sowie motivationale Zustände wie Arbeitsengagement von einem Individuum auf ein anderes übergehen können. Teams synchronisieren sich – im positiven wie negativen Sinne. Und dafür sind vier Aspekte (Mediatoren) ausschlaggebend:

  • Gemeinsame Interessen: Die Teammitglieder haben Spaß an dem, was sie tun, sie sind intrinsisch motiviert. Das erzeugt einen affektiven Gruppentonus.
  • Psychologische Sicherheit: Ein Team, das sich sicher fühlt, erlaubt sich, neugierige Fragen zu stellen und über Schwierigkeiten konstruktiv zu sprechen.
  • Kollektives Wirksamkeitserleben: Das Team teilt den gemeinsamen Glauben daran, dass es seine Aufgaben erfolgreich ausführen wird.
  • Gemeinsame mentale Modelle: Sie haben einen positiven Einfluss auf die Teamkoordination. Weil man Erwartungen ans Arbeiten geklärt hat und sich das Verhalten anderer Teammitglieder genau erklären und vorhersagen kann.

Was daran besonders überzeugt, ist der dynamische Blick der Autorengruppe. Es werden eben nicht – wie sonst in der Forschung üblich – eine Handvoll Faktoren in Relation gesetzt, die dann für ein statisches Ergebnis verantwortlich sind. Nach dem Motto: Man nehme: 300 g Mehl, 150 g Zucker etc., verrühre alles und backe es ab. – Fertig ist der Kuchen!

Ihr Modell geht von Emergenz in der Teamarbeit aus, das meint im besten Fall sich wechselseitig verstärkende Prozesse (Auf- und Abwärtswärtsspiralen). Die Leistung des Teams erscheint damit mehr als die Summe seiner Teile. Eine solche Perspektive erfreut den an der Synergetik Geschulten wie mich: Durch Selbstorganisation kommt es zur Musterbildung des Gelingens. Das Team kommt in Flow und entwickelt eine produktive Atmosphäre, in der Motivation und Zufriedenheit reifen, die wiederum dazu beitragen, dass man sich von Rückschlägen nicht aus dem Konzept bringen lässt.

Teamprozesse

Wie gestaltet sich nun die Teamarbeit über den Zeitverlauf? Insgesamt sollte im Team ein positives Teamklima herrschen. Erstens ist offene Kommunikation nötig, in der Feedback zentral ist. Das ermöglicht adaptives Handeln. Dann braucht es gegenseitige soziale Unterstützung und Motivation wie die positive Ermutigung in schwierigen Situationen, das gegenseitige Erinnern an die jeweiligen Stärken oder das Engagement für gemeinsame Interessen.

Sodann ist es wichtig, die einzelnen Interessen zu sichten und zu würdigen sowie zu einem gemeinsamen Interesse zu bündeln. Der erstrebenswerte Zweck (das Ziel, der Purpose) leiten das Team im besten Fall wie ein Kompass. Für die Umsetzung sind kurzfristige Ziele zu setzen und ein Notfallplan aufzustellen und mitzuführen. Man antizipiert also Scheitern – und bereitet sich darauf vor. In dem man beispielsweise Alternativen ausarbeitet. Wie clever!

Man stelle sich die Teamarbeit als iterative Schleife aus Experimentieren und Reflektieren vor. Das klingt nach agilem Arbeitskonzept. Wichtig ist in der Phase der Ideenfindung allerdings, das große Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, andererseits aber den „Sack nicht zu schnell zuzumachen“ – beispielsweise beim Brainstorming.

Das Team muss zudem bereit und fähig sein, die Arbeit offen zu reflektieren und zu evaluieren. Dabei sollte der Schwerpunkt auf den gewonnenen Erkenntnissen und den erzielten Fortschritten liegen – und nicht auf dem, was noch nicht erreicht wurde. Ein kontinuierliches Monitoring ist für Innovationsteams mit Sicherheit hilfreich.

Es kommt Bewegung ins Spiel

Klingt das nach Gruppendynamik? Nach Agilität? Erinnerungen werden auch wach an das Konzept „Work Engagement“ vom Burnout-Forscher Wilmar Schaufeli. Oder an die Job demands-Resources-Theorie der Arbeitspsychologen Arnold Bakker und Evangelia Demerouti.

Immer wieder wird im Beitrag der Autor:innen auf Emergenz verwiesen. Das hört man selten im Bereich der Organisationspsychologie. Das Konzept ist allerdings in der Synergetik fundamental. Wenn Muster in Selbstorganisation entstehen, kann man sie beobachten und modellieren.

Inzwischen liegen Beispiele für eine anspruchsvolle ideografische Systemmodellierung seitens der humanwissenschaftlichen Synergetik vor (Erkennen, wie man „tickt“). Wolfgang Eberling und Kollegen beschreiben beispielsweise im Buchkapitel, wie man das Synergetische Prozessmanagement (SMP) nutzen kann, um aus der Perspektive der Teammitglieder eine Landkarte mit den Variablen und Wirkgrößen der für das Team relevanten Fragestellungen zu entwickeln und zu visualisieren. Auch hier fallen beispielsweise die Stichworte Selbstwirksamkeit und emotionale Sicherheit. Ein Prozessfragebogen für das Team arbeitet unterstützende und einschränkende Bedingungen sowie Ressourcen heraus. Und eine Zeitreihenanalyse zeichnet die Teamentwicklung – mittels Tagebuchnotizen und kurzen Fragebögen – minutiös nach. So dass wir von der individuellen, ideografischen Systemmodellierung (bottom-up) in die generalisierende, also nomothetische Betrachtung (top-down) übergehen – in der sich die Autor:innen Bernardy und Antoni bewegen.

An dieser Stelle wird es wirklich spannend: Was wäre, wenn sich diese zur Zeit noch verschiedenen Weltsichten und -zugangsweisen (wissenschaftlichen Schulen) nun nicht nur begegnen, sondern auch austauschen und befruchten würden? Das würde ich mir sehr wünschen. Und ich glaube, die Praktiker:innen würden das ebenfalls sehr begrüßen.

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Thomas Webers

Dipl.-Psych., Dipl.-Theol., Fachpsychologe ABO-Psychologie (DGPs/BDP), Lehrbeauftragter der Hochschule Fresenius (Köln), Business-Coach, Publizist

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