Das Handelsblatt widmet dem Thema Macht einen breiten Raum. Die Rede ist davon, dass die traditionellen Regeln der Macht gründlich durcheinander geraten sind. Stimmt das? Und was bedeutet das für den Umgang mit Macht?
Was mit Sicherheit stimmt, ist, dass es in Sachen Macht keinen eindeutigen Trend gibt. Dennoch soll es einige grundlegenden „Spielregeln“ geben, die offensichtlich scheinen. Vier Behauptungen stellen die Autoren auf:
- Heute misst sich Macht weniger daran, wie viele Mitarbeiter (Untergebene) jemand hat, sondern wie viele Fans – Menschen, die von der Person überzeugt sind. Anders ausgedrückt: Nicht „Amtsgewalt“ ist entscheidend, sondern „Soft Power“. Die wiederum ist von vielen Faktoren abhängig – so kann sowohl die Gelassenheit und Verlässlichkeit einer Angela Merkel die Menschen überzeugen als auch haltloser Unsinn, den ein Donald Trump von sich gibt: Hauptsache, man hat den Eindruck, er glaubt selbst das, was er sagt.
Und all das hat vermutlich damit zu tun, dass die Komplexität der Entwicklungen, von denen wir betroffen sind, bei den Menschen die Sehnsucht nach Klarheit und Verlässlichkeit weckt – Hauptsache, da ist jemand, der es schon richten wird. - Der ehemals klare Pfad zur Macht scheint so nicht mehr zu funktionieren – völlig Branchenfremde können an die Spitze eines Unternehmens rücken. Ähnliches ist in der Politik zu beobachten – wie sonst kann ein Immobilienmogul und Showmaster US-Präsident werden? Der Punkt hängt aber vielleicht auch mit dem ersten zusammen: Dadurch, dass die Welt transparenter geworden ist und jeder fleißig an seinem Markenauftritt bastelt, rücken Menschen in den Focus, die früher weniger Chancen auf Aufmerksamkeit und „Wirkung“ hatten.
- Die wahre Macht hat heute nicht mehr derjenige, der viel Geld hat, stattdessen ist Wissen die neue Machtbasis. Interessante Argumentation: Geld ist im Überfluss vorhanden, Wissen ist die knappe Ressource der heutigen Zeit. Bedeutet also: Sieh zu, dass du dein Wissen mehrst (das Geld kommt dann von alleine).
- Man darf wieder Machtwillen zeigen. Erklärung hierfür: Die Menschen haben den Eindruck, dass wir nicht mehr den Mächtigen, sondern anonymen Mächten ausgeliefert sind: Dem Markt, der Globalisierung, den Finanzkrisen. Wenn dann jemand daherkommt und behauptet, er wird das alles richten, dann sind wir erleichtert und folgen ihm – auch wenn seine Versprechungen noch so leer ausfallen.
Den letzten Punkt finde ich spannend. In Deutschland, so heißt es in dem Beitrag (Die neuen Regeln der Macht) hätten wir seit dem Nationalsozialismus ein Problem mit dem Begriff „Macht“, er wird vor allem mit „Machtmissbrauch“ assoziiert. Da ist was dran, nur gehört das Streben nach Macht laut McClelland zu den menschlichen Grundbedürfnissen. – neben dem nach Zugehörigkeit und dem nach Leistung.
Mit dem Bedürnis nach Zugehörigkeit haben wir – aus moralischer Perspektive – selten ein Problem – höchstens dann, wenn bei jemandem das Bedürfnis nicht sonderlich ausgeprägt ist. Mit der Leistung verhält es sich schon etwas anders: Stark leistungsorientierte Menschen sind dem einen oder anderen schon suspekt. Macht hat dann in der Tat was „Anrüchiges“ – aber ersetzt man den Begriff durch Einfluss, kann man es schon leichter ertragen. Mehr noch: Influencer zu sein, hat offenbar einen großen Reiz.
Wir sollten vielleicht mit jenen, die nach Leistung und Macht streben, etwas nachsichtiger umgehen, aber genau hinschauen, in welche Richtung uns die Macht-Motivierten beeinflussen wollen.