INSPIRATION: Macht ist ein faszinierendes Konstrukt. Jeder von uns hat schon mal am eigenen Leib erlebt, wie es sich anfühlt, wenn man Macht über andere hat und diese ausübt. Häufiger vermutlich, wie es ist, wenn man machtlos ist oder wenn andere Macht über einen ausüben. Interessant, was die Wissenschaft dazu herausgefunden hat.
Klar ist, dass sich Macht nur schwer messen lässt. Wer wird schon ausführlich darlegen oder gar sich dabei beobachten lassen, wie er andere beeinflusst? Außerdem wird Menschen ja auch Macht oder Autorität zugesprochen, ohne dass sie hierzu aktiv und bewusst konkretes Machtverhalten zeigen. Also müssen andere Methoden zur Messung her.
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Indirekte Machtindikatoren
Eine Studie (Signale der Macht) ist von folgender Überlegung ausgegangen: Bei Menschen, die gerne und oft Macht über andere ausüben, wird sich dies an indirekten Machtindikatoren nachweisen lassen. Drei von diesen hat man bei Vorstandsvorsitzenden aller deutschen Unternehmen der Fortune-Global-500-Liste analysiert, als da wären:
- Das Foto des Vorstandsvorsitzenden, und zwar sowohl seine Größe als auch in Kombination mit anderen Mitgliedern des Vorstandes im Geschäftsbericht oder in Briefen an die Aktionäre.
- Die Anzahl der Wörte in der ersten Person Singular.
- Die Vergütung des Vorstandsvorsitzenden im Vergleich zu den anderen Vorstandsmitgliedern.
Die Annahme ist klar: Die Abwesenheit anderer Vorstandsmitglieder auf dem Foto und seine Größe sagen etwas über den Machtanspruch aus, ebenso die Häufigkeit, mit der der Vorsitzende von sich selbst spricht, als auch, wie viel er im Vergleich zu seinen Kollegen verdient. Die Streuung der Werte ist enorm. Da gibt es Vorsitzende, die nie von sich selbst schreiben, andere zu über 30%. Einige verdienen 0,6 mal so viel wie derjenige mit der zweithöchsten Vergütung, andere mehr als 8 mal so viel. Die Fotos zeigen ähnliche Diskrepanzen.
Die externe Wahrnehmung
An zwei Beispielen wurde sodann geschaut, wie ein Vertreter aus dem oberen Quantil und einer aus dem unteren in der Presse beschrieben wird. Ersterer gilt als machtorientiert, tritt „präsidial“ auf und wird als „stockkonservativ“ bezeichnet. Der andere als „aufopferungsvoll“, „kollegial“ und es wird berichtet, dass die Mitarbeiter ihm nachtrauerten, als er seinen Platz räumte. Mit anderen Worten: Die beiden Beispiele deuten darauf hin, dass die erfolgte Messung durchaus valide sein könnte.
Hat das irgendeine Praxisrelevanz? Zumindest für alle, die sich für eine Karriere in dem jeweiligen Unternehmen interessieren. Dann wissen sie, wie dort die Machtverhältnisse sind. Ansonsten vielleicht für die Kommunikationsexperten im Unternehmen, die ihren Chef vorsichtig davon abhalten sollten, zu groß im Bild zu erscheinen oder zu oft von sich selbst zu reden. Und vielleicht etwas bescheidener bei seinen Gehaltsforderungen zu sein. Nutzen wird es wenig 😉
Wie das Gehirn von Mächtigen sich verändert
Spannender finde ich die Erkenntnisse der Neurowissenschaften (Was macht Macht im Gehirn?). Wenn man sich das arbeitende Hirn von Menschen anschaut, die sich eine Situation vorstellen, in der sie sich als sehr machtvoll erleben, dann werden die Areale deaktiviert, die aktiv werden, wenn man darüber nachdenkt, wie andere fühlen oder denken. Ähnliches zeigt sich, wenn man Menschen andere beoachten lässt. Dann nämlich wird das „motorische Resonanzsystem aktiviert.“ Unser Gehirn verhält sich ähnlich wie wenn wir selbst aktiv sind, hier ist von dem „motorischen Spiegelsystem“ die Rede. Das kennen wir alle, wenn wir Sportlern zusehen und unser Bein zuckt, wenn der Stürmer ausholt und gegen den Ball tritt. Dieses System wird ebenfalls „offline gesetzt,“ wenn Menschen sich vorstellen, besonders machtvoll zu sein.
Die Interpretation ist naheliegend: Wenn ich Kraft meiner machtvollen Rolle (sei sie nun formell oder informell) meinen Willen gegen den anderer Menschen durchsetze, dann würden Empathie und Einfühlungsvermögen doch arg stören. Soll heißen: Um – egal mit welchem Ziel, ob mit positiver Absicht oder moralisch fragwürdig – etwas durchzusetzen, müssen bestimmte Hirnareale Ruhe geben. Nun könnte man fragen, ob bei jemandem, der schon lange Macht ausübt, solche Areale verkümmern wie Muskeln, die man lange nicht benutzt hat. Ganz abwegig wäre der Gedanke nicht – zumindest spricht einiges dafür, Menschen nicht dauerhaft anderen vor die Nase zu setzen. Wenn man dazu die Macht hat …