2. August 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Dosenmikrofon

Wie sag ich’s meinem Klienten?

KRITIK: Lange stand im Coaching die Outcome-Forschung im Fokus: Was bringt Coaching, war die Frage, die inzwischen – positiv – geklärt ist. Wie Coaching etwas bringt, darum wird immer noch gestritten – und geforscht.

Prozessforschung nennt man das. Und es gibt dazu schon einiges an Ergebnissen. Insbesondere die Klagenfurter Linguistin Eva-Maria Graf hat sich darum sehr verdient gemacht (Was ich noch zu fragen hätte …). Nun findet solches unter Coaches nicht immer ungeteiltes Interesse. Das hat sicher mit dem ausgeprägten Pragmatismus in der Branche zu tun, aber auch mit Misstrauen. Denn die Forscher:innen sind natürlich hinter Mitschnitten von Coachingsessions her (wie der Teufel hinter der armen Seele). Und da hört der Spaß dann bei vielen auf. Sie argumentieren mit Vertraulichkeit oder mangelnden Akzeptanz der Klienten; verstecken sich vielleicht aber auch gerne hinter einer solche Argumentation, weil sie fürchten, man könne ihnen auf die Finger schauen.


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Nun wäre Letzteres prinzipiell nicht verkehrt – von wegen Pragmatismus. Und andererseits ist es doch auch das legitime Interesse der Forschung, zu erforschen, was da wirklich stattfindet im sogenannten Coaching. Wenn dabei „Beraterlatein“ zum Vorschein käme, hätte man doch auch einen Hebel zur Hand, um mehr Ausbildungs- und Supervisionsqualität zu fordern. Da stoßen die Autor:innen (Quantitative Linguistische Prozessforschung im Coaching) mit ihrem Ansatz vielleicht in eine Marktlücke vor. Doch fangen wir vorne an.

It takes two to tango

Quantitative Linguistische Prozessforschung (QLP) nennt das Autorenduo die Messung, Aufbereitung und Visualisierung der Redeanteile von Coach und Klienten. Oder in deren eigenen Worten: „Es stellt sich die Frage, ob es verschiedene Gesprächsstile im Coaching gibt, so wie es verschiedene Tanzstile gibt.“ Dafür nimmt man einfach die Audioaufzeichnung eines Coachings und verfüttert sie an eine App. Wieder in den Worten des Autorenduos: „Eine aufwändige Transkription ist für die Analyse von Abfolge und Dauer der Redebeiträge nicht notwendig.“

Heiligs Blechle! Wenn das meine Studierende spitzkriegen … Forschung muss nicht mühsam sein! Die App ist so konfiguriert, dass sie die beiden Sprecher auseinanderhalten kann (= Stimmseparation), und spuckt dann auf Knopfdruck die Daten aus: Beispielsweise, wer wie lange redet (=paralinguistische Daten). Das Autorenduo hat dafür auch gleich zwei prominente Beispiele zur Hand: Jeweils vier Coachingprozesse der Koryphäen Insoo Kim Berg und Gunther Schmidt werden analysiert. Das Ergebnis: Gunther Schmidt kommt auf etwa 75%, Insoo Kim Berg auf knapp 50% Gesprächsanteile.

Tja, jetzt kann man Gunther Schmidt schlecht besserwisserisch unter die Nase reiben, er würde zu viel reden … Also erweitern wir den Forschungsfokus dahingehend, dass wir nicht bloß summarisch die Gesamtheit der Redeanteile betrachten, sondern das dynamische Wechselspiel, also den Rhythmus inspizieren. Das nennt man in der Linguistik die Länge der Turns. Und siehe da, auch hier gibt es starke Unterschiede: Bergs Turns „schmiegen“ sich in allen vier Gesprächen an den Kunden an. Schmidts Redeanteile übertreffen auch in der Länge der Turns deutlich die seiner Kunden. Und das Autorenduo hat auch gleich eine Erklärung dafür parat: Schmidt bietet in seinen Interventionen gerne sogenannte Produktinformation (Erklärungen) an. Muss man halt wissen …

Erstes Fazit: „Mit neuen Instrumenten, die neue quantitative Größen zugänglich machen, entstehen auch neue Fragestellungen und Sichtweisen.“ Ich bin unmittelbar begeistert: Wie war das nochmal mit der Korrelation der Storchpopulation mit der Geburtenrate?

Wortschatzanalyse

Jetzt geht’s an die semantisch-linguistische Untersuchungsebene. Dafür braucht man allerdings eine Transkription. Und eine lexikonbasierte Auswertungssoftware. Die zählt pro Gesprächspartner alle Worte aus, kategorisiert diese und vergleicht dann die Häufigkeit der Wörter beider Sprecher in jeder Kategorie miteinander. Daraus errechnet das Programm einen Gesamtscore.

Und auch hier hat man schnell eine Hypothese zur Hand: Man hat das vermutlich an anderer Stelle schon vernommen: Gesprächspartner passen wechselseitig ihr Sprachverhalten an. Kennt man doch aus dem NLP (NLP als Pseudowissenschaft). Auch hier werden unsere prominenten Testimonials wieder untersucht. Die allein von Kim Insoo Berg gebrauchten „Lemma“ (Worte) machen im Durchschnitt ca. 22% des gemeinsamen Wortschatzes aus. Bei zirka 40% gibt es eine Übereinstimmung mit denen ihrer Klienten. Bei Gunther Schmidt sieht die Lage ziemlich anders aus: Sein eigener Wortschatz macht über 50% des gemeinsamen Wortschatzes aus.

Fazit

„Natürlich bezahlt man einen Preis, wenn man softwaregestützte Instrumente im Rahmen der Coachingprozessforschung nutzt,“ so das Autorenduo. „So nimmt man in Kauf, dass der nur verstehend-interpretativ erfassbare Faden des Gesprächs, seine turn-by-turn Ko-Konstruktion wie auch der Kontext der Coachingsituation aus dem Blick geraten.“ – Damit wird ein gravierender Einwand leichtfüßig (Wie-ge-schritt …) entsorgt.

Was haben uns die Herrschaften also vorgeführt? Dass Walzer und Tango verschiedene Tänze sind. Mehr nicht. Die Arbeit ginge hier erst los. Und dazu müsste man natürlich auch das statistische Besteck aus der Schublade holen. Und dann? Würden wir vergleichen, ob Adepten wie die Meister coachen? Also: Kick it like Beckham? – Macht ein normativer Ansatz Sinn? Für mich nicht.

Unter Toolklempnern

Ich bedauere, ich kann im Beitrag keinen wissenschaftlichen Approach erkennen. Aber einen recht pragmatischen: Mit der App triezen demnächst Coach-Ausbilder ihre Azubis: Du redest zu viel! Versuche mal einen schnelleren Wechsel (Turn)! „Die Analyse der Redelänge ist folglich als Echtzeitanalyse in der Coachingpraxis und -ausbildung möglich und einsetzbar.“ Dann fehlen nur noch entsprechende Kennzahlen, um einen Prüfungscorso aufzubauen. Da ist sie, die Marktlücke … Klingelingeling!!! Mit wissenschaftlichen Erkenntnissen (Nonverbal synchrony and affect in dyadic interactions) dürfte das nicht so viel zu tun haben.

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Thomas Webers

Dipl.-Psych., Dipl.-Theol., Fachpsychologe ABO-Psychologie (DGPs/BDP), Lehrbeauftragter der Hochschule Fresenius (Köln), Business-Coach, Publizist

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