INSPIRATION: Sind Sie auch jemand, der Zweifel an der Demokratie hegt? Und sich fragt, ob es nicht bessere Modelle gibt? Kein unmittelbares MWonline-Thema, aber eines, das uns zur Zeit auch sehr beschäftigt und in gewisser Weise auf Organisationen übertragbar erscheint. In der Brand eins ist ein Interview mit zwei Menschen erschienen, die sich für mehr Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie engagieren (Wenn die Zuschauer aufs Spielfeld kommen).
Eine Erkenntnis, die sich mir schon lange aufdrängt: „Unser Staat hat ein Betriebssystem aus dem Jahr 1949 ohne nennenswertes Update.“ Und das ist in deutlich älteren Demokratien nicht anders. Lassen Sie mal Menschen mit uralten Betriebssystemen auf hoch modernen Rechnern arbeiten – wie lange würden sie das mitmachen?
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Konkordanzdemokratie
Konkret: Das derzeitige „Betriebssystem“ ist eine Konkurrenzdemokratie. Wir wählen Parteien, die gegeneinander antreten. Dann schließen sie sich für einen bestimmten Zeitraum zu Koalitionen zusammen und versuchen, gegen die Opposition Gesetzesvorhaben durchzusetzen. Der Wettkampf geht nach der Wahl weiter. Ist das noch sinnvoll? Wie wäre es, wenn nach der Wahl alle im Bundestag (im Landtag, im Stadtrat) vertretenen Parteien gemeinsam die besten Lösungen erarbeiten? Wenn man die Fraktionsdisziplin aufhebt und aus allen Abgeordneten Teams bildet, die – neutral moderiert – Gesetzesvorschläge erarbeiten? Dann fließen die Parteimeinungen zwar nach wie vor ein, aber vor allem die persönliche Kompetenz und das Wissen der Abgeordneten, die sich zu diesen Teams melden.
Klingt erst mal absurd? Aber wieso erscheint es uns als normal, dass in den Augen der Regierenden alle Vorschläge der Opposition unsinnig sind. Und umgekehrt: Regierungen nie etwas richtig machen? Ist das nicht absurd? Die Alternative heißt Konkordanzdemokratie, in der es weniger um Macht als um die Sache ginge. Natürlich könnte man noch weitergehen: Die Vorschläge, die solche parteiübergreifenden Teams entwickeln, könnten den Bürgern zur Abstimmung vorgelegt werden.
Bürgerräte
Will sagen: Wenn so viele Menschen kein Vertrauen mehr in die (derzeitige) Demokratie haben – wird es nicht höchste Zeit, ein Update zu entwickeln? In dem eine weitere Form der Bürgerbeteiligung eine große Rolle spielen könnte: Die Bürgerräte. Die es schon gibt. Eins der bekanntesten Beispiele stammt aus Irland, sehr eindrucksvoll erzählt in dem Podcast „Geschichten gegen den Hass“: Politiker ekelten mich an. Unbedingt anhören!!!
Es gibt solche Bürgerräte auch in Deutschland, sowohl auf kommunaler Ebene (ca. 100), Landes- (11) oder Bundesebene (7). Wobei diese nicht dauerhaft installiert sind, sondern zu bestimmten Themen zusammengerufen wurden und z.T. in monatelanger Arbeit konkrete Vorschläge für die Parlamente erarbeiteten. Tatsächlich gibt es auf Bundesebene schon eine eigene Stabsstelle für Bürgerräte – es tut sich also etwas. Warum, so die berechtigte Frage, denkt man nicht weiter über Demokratiefragen nach? Braucht es dafür eine Art Demokratieministerium? Oder einfach nur den Mut, Sachen auszuprobieren?
Und der Bezug zum „Managementwissen“? Ganz einfach: Wir schreiben so oft, dass es höchste Zeit für Experimente sei. Dass Organisationen nicht mehr davon ausgehen können, dass es die eine und einzige Form gibt, die zum Erfolg führt. Ob das Arbeitszeit, Hierarchie, Homeoffice, Shared Leadership, Selbstorganisation betrifft – überall ist Mut erforderlich, alte Wahrheiten in Frage zu stellen. Das gilt mit Sicherheit auch für die verschiedenen Formen der Demokratie …