KRITIK: Schwierige Fragen: Können Manager ihre Belegschaft zu viel informieren? Gibt es ein Minimum? Eine Obergrenze? So viel scheint sicher zu sein: Es beschweren sich deutlich mehr Angestellte darüber, dass sie zu wenig informiert werden. „Führungskräfte werden fast zehnmal häufiger dafür kritisiert, zu wenig zu kommunizieren, als dafür, zu viel zu kommunizieren.“ (Chief Repeating Officer). Die Sache scheint damit doch klar zu sein: Wenn Sie nicht sicher sind, ob Sie eine Information rausrücken sollen, tun sie es. Die Gefahr, etwas falsch zu machen, ist gering.
Warum wird trotzdem immer wieder die Sorge nach dem „zu viel“ laut? Vielleicht, weil Kommunizieren nicht gleich Kommunizieren ist. Deshalb ist die Frage viel zu schlicht. Ich erinnere mich gut an einen Manager, der sich vor Mitarbeiter aus der Produktion stellte und sich richtig Zeit nahm, um sich den Fragen zu stellen. Jede einzelne beantwortete er – wobei er vom Hölzchen auf Stöckchen kam, weit ausholte, in die Vergangenheit zurück ging und jede Menge Appelle von sich gab, von wegen „Es gibt viel zu tun – packen wir es an!“ Die Reaktionen in den Gesprächen danach waren eindeutig: „Typisch Manager, viel geredet, wenig gesagt.“
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Trotzdem: immer wieder Klagen
Wenn die Klage geäußert wird, dass Mitarbeitende sich einerseits ständig schlecht informiert fühlen, aber immer dann, wenn man ihnen Informationen zur Verfügung stellt, sich über zu viele Informationen beschweren, dann gilt es, mal genauer hinzuschauen. Folgende Tipps geben die „Experten“ in der Wirtschaftswoche:
Für Klarheit sorgen. Gemeint ist eine klare Vision. Eine, die der Manager wie einen Kompass nutzen kann, den er ständig mit sich herumträgt. Und bei jeder Gelegenheit aus der Tasche zieht. Dazu sollte sie kurz und knackig sein, so, dass sie auf ein T-Shirt oder in eine E-Mail-Signatur passt.
Oh weh, nicht im Ernst. Das sorgt für Klarheit? Die Mitarbeiterin möchte wissen, was an den neusten Übernahmegerüchten dran ist und der Manager zückt seine Vision. Jede Wette, da ist die Begeisterung riesig. Für Klarheit sorgen ist zweifellos richtig – wenn damit gemeint ist, dass klar und verständlich kommuniziert wird, ohne lang und breit drum herum zu reden.
Wiederholungen (können) nerven
Unermüdlich wiederholen. Was oft wiederholt wird, das wird laut Studien als glaubwürdiger wahrgenommen. Mit der genialen Einschränkung: Zu oft ist auch nicht gut. Ach was! Ich liebe Satzanfänge wie: „Auch wenn ich mich jetzt wiederhole …“
So viel scheint sicher zu sein: Man sollte sich nicht scheuen, eine Botschaft, die einem selbst wichtig ist, mehrfach zu wiederholen. Irgendwann nehmen einem die Leute das dann ab – vorausgesetzt, das eigene Handeln passt dazu. Auch hier aus meiner Erinnerung an einen anderen Manager, der nicht müde wurde zu verkünden, dass laut der Vision der Mensch im Mittelpunkt stehe. Selten war eine Feststellung so unglaubwürdig, da half alle Wiederholung nichts.
Den richtigen Rahmen schaffen. Hier wird doch allen Ernstes das Vier-Seiten-Modell nach Schulz von Thun zitiert. Erkenntnis: Gemeint ist vielleicht das eine, verstanden ist was völlig anderes. Also sollte man den Kern der Botschaft und die Absicht hervorheben. Wenn der Manager also nett fragt, wie weit man mit dem Projekt ist und was der Zeitplan so macht, ganz harmlos, um überhaupt ein Thema zu haben, dann wäre es gut, wenn er entweder gleich anfügt: „Ich muss morgen zum Vorstand, daher brauche ich verlässliche Informationen.“ Oder aber: „Ich kam grade zufällig vorbei und will nur ein wenig plaudern.“ Tatsächlich kein schlechter Tipp: Wir unterschätzen in der Tat oft, dass unsere gesprochenen Sätze sehr unterschiedlich ankommen können, da hilft es sehr, wenn wir uns vorher überlegen, was wir aus welchem Anlass und mit welcher Zielsetzung verkünden und das dann auch gleich mit kommunizieren. Was nicht bedeutet, wie im Artikel empfohlen, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen.
Kommunizieren ist nicht gleich Kommunizieren
Transparent sein. Hier sind schlechte Nachrichten gemeint, die man lieber nicht verschweigen oder herabspielen sollte. Dagegen ist nichts einzuwenden. Wobei Transparenz sicher nicht nur bei schlechten Nachrichten eine gute Idee ist. Manager tun gut daran, davon auszugehen, dass vieles, von dem sie glauben, dass es für alle neu ist, längst als Gerücht die Runde gemacht hat. Also lieber die Karten früher als später auf den Tisch legen.
Zurück zum Anfang: Kann man zu viel kommunizieren? Ja, wenn man mit vielen Worten wenig sagt. Ansonsten wohl kaum, wenn man einige einfache Regeln beachtet. Was offenbar nach wie vor extrem schwer zu fallen scheint.