4. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Choice Architects

KRITIK: Ich bin immer noch auf der Suche nach guten Beispielen für Nudging – der Idee, Verhalten nicht vorzuschreiben oder anzuordnen, sondern durch kleine „Stupser“ in die richtige Richtung zu bewegen. Und komme mehr und mehr zu dem Ergebnis, dass irgendwie alles „Nudging“ ist. Also ein eher wertloses Konzept?

Es geht im Grunde ja darum, Menschen zu den „richtigen Entscheidungen“ zu verhelfen, indem man die „Entscheidungsumgebung“ entsprechend gestaltet. Der Ansatz gefällt offenbar auch der Politik so gut, dass es im Kanzleramt eine Abteilung mit fünf Mitarbeitern gibt, die sich „Wirksam Regieren“ nennt. Und offenbar hofft, die Bürger mit den sanften Stupsern zu klimagerechterem Verhalten bewegen zu können (Es hat sich ausgestupst).


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Aber zurück zu den Beispielen: In der Zeitschrift Führung + Organisation stellen zwei Autoren ein Modell vor, mit dessen Hilfe man solche Stupser entwickeln kann, um bestimmte Werte ins Unternehmen zu transportieren (Nudging als Instrument der Wertevermittlung). Ziemlich einleuchtend ist dieser Anwendungsfall: Wenn das Unternehmen mehr Wert auf die Schonung der natürlichen Ressourcen legen möchte (und dazu noch Geld einsparen will), dann ist es allemal sinnvoll, Papier doppelseitig zu bedrucken. Dazu muss man nur die Voreinstellung am Rechner ändern, von einseitig eben auf doppelseitig. Der Anwender drückt auf „Drucken“ und schon ist das Problem gelöst, es wird nur noch die Hälfte des Papiers benötigt.

Nebenwirkungen beachten

Denkste! Die Folge war, dass die Mitarbeiter anschließend immer noch einmal auf Drucken klicken und eine einseitige Variante herstellten, der Papierverbrauch stieg also deutlich an. Warum? Weil es für Besprechungen die informelle Vorgabe gab, die Unterlagen einseitig gedruckt vorzulegen. Der Schuss ging also nach hinten los. Logische Konsequenz der Autoren: Wenn schon Nudging, dann auch genau hinschauen, ob es nicht für das angestrebte Verhalten Barrieren gibt, zum Beispiel entgegengesetzte Spielregeln wie in diesem Fall.

Natürlich lässt sich das Problem lösen. Man ändert nicht die Voreinstellung, sondern bietet dem User die Wahl, wenn er auf „Drucken“ klickt: Ein- oder zweiseitig (gezwungene Auswahl). Oder man arbeitet mit Hinweisen auf die Folgen: „Wenn Sie jetzt drucken, liegen Sie im im oberen Drittel des Verbrauchs in Ihrer Abteilung!“ (Soziale Norm).

Hier ahnt man, was so alles unter „Nudging“ zu verstehen ist. Wenn auf meinem Bildschirm der Hinweis auftaucht, dass die letzte Datensicherung schon vier Wochen her ist, dann zwingt mich niemand, jetzt eine Sicherung vorzunehmen. Mir bleibt die Entscheidung überlassen, aber der Hinweis ist schon deutlich. Dann ist auch jede rote Ampel eigentlich Nudging – sie informiert mich, dass es gesünder ist, anzuhalten. Aber ich habe die Wahl. Auf diese Art und Weise kann man jetzt weiter machen: Der Zebrastreifen, die Hinweise auf eine neue Mail, die Warnhinweise auf Zigarettenpackungen, die roten Preisschilder im Supermarkt, die für ein Sonderangebot stehen usw. Alles Hinweise, die mein Verhalten beeinflussen, aber mich nicht direkt zwingen, ihnen zu folgen.

Alles Nudging – oder was?

Selbst der Abbau von Hindernissen ist Nudging: Wenn die Anmeldung zu einem Anti-Raucher-Kurs bisher sehr kompliziert war, vereinfacht man den Prozess – Nudging. Und in der Tat, die Autoren erklären, „Nudges sind überall und jederzeit, jeder von uns ist ein Choice Architekt.“ Stimmt, mein Wecker, der mich morgens daran erinnert, dass es Zeit wird aufzustehen (ich hab die Wahl, ihm den Gefallen zu tun oder es sein zu lassen) ebenso wie meine To-Do-Liste, die sichtbar neben meinem Rechner liegt. Oder der Regenschirm, den ich mir neben die Haustür stelle, damit ich am nächsten Morgen nicht ohne ihn das Haus verlasse.

Was also taugt das Konzept dann eigentlich, wenn alles Nudging ist? Vielleicht nur so viel: Wann immer man was auch immer in der „Entscheidungsumgebung“ verändert – man sollte genau hinschauen, welche Wirkung vielleicht durch welche Nebenwirkung aufgehoben wird. Und sich damit abfinden, dass manche Verhaltensweisen dann doch die große Keule brauchen. So wie Maßnahmen zur Rettung des Klimas, so sehr sich mancher Politiker vielleicht wünscht, dass es mit sanften Stupsern getan ist und man um Tempo-Limit und autofreie Innenstädte herumkommt.

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