PRAXIS: Von Kurzzeit-Coaching hat man schon viel gehört, vom lösungsorientierten Ansatz ebenfalls. Dass beides aber so kurz und so erfolgreich sein kann, dass der Coachee nach wenigen Minuten ans Ziel kommt, klingt utopisch. Und ist natürlich auch die Ausnahme. Schön zu lesen ist es trotzdem, und die zugrundeliegenden Annahmen alles andere als utopisch.
Gefunden habe ich den Fall in einem älteren Heft der Training aktuell (Die erwünschte Zukunft ist jetzt!). Ein Coach-Ausbilder führte einen Kurs zum Thema Kurzzeitcoaching mit interessierten HR-Managern und internen Coachs durch, in dessen Verlauf er mit einer Teilnehmerin an einem Thema arbeitete. Sie erzählte ihm von einem privaten Problem in ihrer Familie, dass sie nämlich bisher erfolglos versuche, ihre 10-jährige Tochter, die oft allein zu Hause ihre Zeit außerhalb der Schule verbringt, zu motivieren, ein Hobby zu finden, um etwas mit anderen zusammen zu unternehmen.
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3 Interventionen
Hier kommen drei Interventionen des Coachs, die zugleich die Grundprinzipien sehr schön verdeutlichen:
- Als erstes fragt er nach der größten Hoffnung für dieses Gespräch. Damit hilft er der Klientin, ein Zielbild, eine Vorstellung für die erwünschte Zukunft zu entwickeln.
- Anschließend wertschätzt er, welche Ressourcen er beim Klienten wahrnimmt.
- Schließlich fragt er nach der Zuversicht (bezüglich der erwünschten Zukunft) im Jetzt.
Klingt erst mal abstrakt? Ist es aber überhaupt nicht. Dahinter stecken zwei zentrale Annahmen, und zwar:
- Es geht nicht darum, Probleme zu lösen, sondern Lösungen zu erfinden. Das kennt man aus dem lösungsorientierten Ansatz. Der Coach hilft dem Coachee, sich weg von dem Problem und hin zum erwünschten Zustand zu orientieren. Um dann zu schauen, welche Erfahrungen er bereits mit der Realisierung des Lösungsbildes hat.
- Die erwünschte Zukunft hat bereits begonnen. Es liegt an unserem westlich geprägten Denken, dass wir so stark in den Kategorien Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft denken. Wenn wir aber annehmen, dass es nur das Jetzt gibt, dann ist in der Gegenwart bereits die Zukunft angelegt – wir müssen also bereits jetzt so agieren, wie wir es uns wünschen.
Also fragt der Coach nicht nach Plänen, nach nächsten Schritten (denn damit verlegt er das Handeln ja wieder in die Zukunft), sondern nach der Zuversicht im Jetzt – um Zeichen zu finden, die dem Klienten helfen zu erkennen, dass die erwünschte Zukunft bereits begonnen hat.
In dem beschriebenen Fall lautete die Antwort auf die größte Hoffnung, dass die Klientin sich für ihre Tochter mehr Selbstbewusstsein, mehr Eigenständigkeit und mehr Kontakt zu anderen wünsche. Nach der Beschreibung der wahrgenommen Ressourcen (Fürsorge, Energie, Sorgfalt) fragte der Coach, wie zuversichtlich sie sei, dass ihre Tochter sich wie von ihr erhofft entwickeln würde. Die Mutter spürte eine große Zuversicht, erkannte, dass der Widerstand ihrer 10-jährigen Tochter gegen alle Versuche, sie zu motivieren, sehr deutlich ihre Stärke und ihre Selbstsicherheit zeigt und dass sie sich keine Sorgen machen musste – also im Grunde ihr nur weiter vertrauen muss.
So reibungslos dürften die wenigsten Coachings verlaufen, das beschriebene dauerte sechs Minuten. Aber der Ansatz hat etwas ungemein Mut machendes …
(Nach: Daniel Meier – Die erwünschte Zukunft ist jetzt! Training aktuell, 11/2015, S. 42-45)