INSPIRATION: In der Personalauswahl kommen immer noch weit verbreitet Methoden zum Einsatz, die kaum in der Lage sind, die Leistung von Bewerbern gut zu prognostizieren – zum Beispiel unstrukturierte Interviews. „Ein Grund für diesen Missstand liegt darin, dass Forschungsergebnisse oft nicht bekannt sind und daher die Aussagekraft der einzelnen Auswahlmethoden von den Verantwortlichen falsch eingeschätzt wird.“ Ich persönlich erinnere mich gut an ein Pausengespräch mit einem Personalchef vor Jahren während einer einschlägigen Veranstaltung, in dem er prahlte, er hätte sich in den vergangenen 20 Jahren noch nie in seinem Auswahlurteil getäuscht. Als ich ihm antwortete: „Träumen Sie mal weiter!“, reagierte er beleidigt. Heute weiß ich, die Wissenschaft bezeichnet solche Reaktionen als Dunning-Kruger-Effekt.
In der empirischen Studie (Wer keine Ahnung hat, kann sich selbst am besten überschätzen) ging es darum, inwieweit Personalpraktiker die Prognosegüte (sogenannte prognostische Validität) unterschiedlichster diagnostischer Methoden zutreffend einschätzen und welche Rolle dabei die eigene Urteilssicherheit sowie das individuelle Selbstvertrauen der Entscheidungsträger spielen. Erstes Ergebnis: Die Befragten überschätzen die Prognosegüte der unterschiedlichen Auswahlmethoden um zwölf bis 50 Prozent. Zweites Ergebnis: Sie überschätzen die Validität umso mehr, je sicherer sie sich mit ihrer Einschätzung sind. Drittes Ergebnis: „Nur 26 Prozent der Befragten glauben, dass ihre eigenen Schätzungen schlechter ausfallen als die der anderen Praktiker.“
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Dunning-Kruger-Effekt
Ein an sich schon peinlicher Befund. Doch es kommt noch härter: Die Forscher konnten eindrucksvoll den in der Psychologie bekannten Dunning-Kruger-Effekt nachweisen. Dazu verglichen sie die tatsächliche Schätzleistung mit der Selbsteinschätzung, indem sie die Stichprobe in vier Gruppen unterteilten. Nun konnten sie eindrücklich zeigen: Je weniger Wissen ein Personaler über die Prognosequalität von Auswahlverfahren hat, desto mehr überschätzt er sich. Ein niederschmetternder Befund für die Personalprofis. Der dann auch erklären kann, weshalb in der Praxis der Personalauswahl oft falsche Entscheidungen getroffen werden: „Viele Entscheidungsträger verstehen zu wenig von der Materie, um ihre eigenen Schwächen als solche erkennen zu können.“
Seit 20 Jahren gibt es nun schon die DIN 33430 zur Eignungsbeurteilung als Best-Practice-Anleitung. Deren Akzeptanz in der Wirtschaft hält sich bislang noch in Grenzen. Offenbar denkt sich die Zunft mehrheitlich: „Wir können Personalauswahl. So einen Intellektuellen-Quatsch brauchen wir nicht! Wir machen das schließlich schon mehr als 20 Jahre …“