REZENSION: Maja Storch / Frank Krause – Selbstmanagement – ressourcenorientiert. (6., überarb. Edition) Hogrefe 2017.
Wenn es um das Arbeiten mit und an Zielen geht, fällt zumeist das Stichwort SMART. Der Klassiker! Alle nicken … Komisch bloß, viele Menschen kommen mit der angeblichen Zauberformel nicht klar – im Gegenteil: Es macht für sie alles nur schlimmer. Statt SMART in Frage zu stellen, verfallen diese Zeitgenossen dann in Selbstzweifel, schämen sich, ziehen sich zurück. Man ist offensichtlich ein hoffnungsloser Fall.
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Ist man aber nicht! SMART passt eben nur für eine Teilgruppe, für die nämlich, die schon eine klare Intention gefasst haben. Die ziehen die Umsetzung mit SMART durch. Doch die Unentschlossenen oder die, die Zielkonflikte haben, oft unbewusste Konflikte, die stehen da am Ufer des Rubikon, laufen am Fluss herauf und herunter, aber überqueren ihn nicht. Sie quälen sich und kommen nicht zu Potte.
Das in den 1980er-Jahren von Heckhausen und Gollwitzer entwickelte Rubikon-Modell mit seinen vier Schritten – Motiv, Intention, präaktionale Vorbereitung, Handlung – spielt auf Julius Cäsar an, dem der römische Senat bei der Androhung von Krieg verboten hatte, den Fluss zu überqueren. Das tat er dann aber doch, wobei er die berühmten Worte „alea jacta est“ (die Würfel sind gefallen) gesprochen haben soll. An dieser Heldengeschichte soll sich der neuzeitliche Zeitgenosse dann ein Beispiel nehmen: Spring!
Haben Sie schon einmal im Schwimmbad oben auf dem 10-Meter-Turm gestanden – und sind nicht gesprungen? Das Rubikon-Modell ist nämlich einseitig kognitiv angelegt. Es berücksichtigt Emotionen ungenügend. Seit Mitte der 1990er-Jahre stehen diese aber – dank Erkenntnissen der modernen Neurobiologie – verstärkt im Fokus. Maja Storch und Frank Krause haben daher das Modell erweitert. Am Anfang ihres Rubikon-Prozess-Modells stehen nun die Bedürfnisse. Der Verstand (Intention) und das Unbewusste (Bedürfnisse), also Stufe 1 und 2 des neuen Modells, müssen nicht an einem Strang ziehen, oftmals behindern sie sich gegenseitig. Dann klappt SMART überhaupt nicht.
Es muss dann erst ein MOTTO-Ziel her. Verstand und Unbewusstes sprechen allerdings unterschiedliche Sprachen. Das Unbewusste ist über körperliche Signale und Bilder zugänglich. Daher startet das Zürcher Ressourcen Modell ® (ZRM), ein psychoedukatives Programm, das gut im Gruppenkontext funktioniert, das man aber auch sehr gut im Coaching einsetzen kann, mit einer Bilderwahl: Es gilt, ein positives, ressourcenvolles Bild auszusuchen, das die Bedürfnislage gut charakterisiert. Ist dies gefunden, wird es verbalisiert und zu einem Motto, das einen fortan begleitet, verdichtet. Man formuliert programmatisch ein neues Lebensgefühl (Haltungsziel). Auf dessen Basis lässt sich dann, vereinfacht ausgedrückt, mit SMART weiter machen.
Nun, ganz so simpel ist Selbstmanagement dann doch nicht. Ins ZRM, dass die beiden Autoren in den 1990er-Jahren im Rahmen der Lehrerausbildung entwickelt haben, gingen zahlreiche Erkenntnisse aus Neurobiologie und Psychologie ein. Zu den Fachbegriffen, die damit verbunden sind, gehören die Begriffe „Somatische Marker“ (für die körperlichen Reaktionen, mit denen das Unbewusste spricht) sowie „Embodiment“ (für einen ganzheitlichen Ansatz, der den Körper-Geist-Dualismus aufhebt). Inzwischen, 20 Jahre später, ist das Modell dermaßen reif, erprobt und wissenschaftlich erforscht, dass man auf zahlreiche Veröffentlichungen zugreifen kann.
Zu den ersten Quellen gehört das Buch „Selbstmanagement ressourcenorientiert“ von Storch und Krause, das nun in der 6., überarbeiteten Auflage vorliegt. Im ersten Teil geht es um den theoretischen Hintergrund. Leichtverständlich wird die Leserschaft in die neurobiologischen Grundlagen und das Rubikon-Prozess-Modell eingeführt. Teil 2 bildet das Trainingsmanual. Hier wird die Arbeit Schritt für Schritt und auch für verschiedene Anliegen differenziert über 100 Seiten ausgebreitet. Das macht es einfach und nachvollziehbar. Im dritten Teil findet sich u.a. die fürs Coaching speziell zugeschnittene Anwendung und im Teil 4 werden wissenschaftliche Studien zum ZRM präsentiert. Der Anhang strotzt nur so von Kopier- und Flipchart-Vorlagen, Literatur, Register und anderen Verzeichnissen.
Die Arbeit mit dem ZRM ist sehr fruchtbar, das kann ich aus eigener Praxis bestätigen. Auch an der Hochschule setzen wir die Methodik ein. Die Studierenden arbeiten zum Teil selbst mit der Methode und äußern sich sehr zufrieden mit der Anwendung und den Ergebnissen. ZRM ist auf dem Weg, ein moderner Klassiker zu werden. Mit diesem Buch bekommen Trainer, Coaches und Personalentwickler alles an die Hand, um selbst ZRM-Anwender zu werden.